Inklusion und Emotion
Intro:
Inklusion und Emotion
Es ist wie in den herbstlichen Nebelfeldern: Die emotionsgeschwängerte, schwere Luft dringt in alle Körper und Ritzen ein. Die leichte, vernunftgetriebene Strömung streicht oben drüber. Es entstehen zwei Welten. Lange stand die Frage nach der diskursiven Macht im Vordergrund, derzeit scheint es so, dass viele Menschen affektiv so vereinnahmt werden, dass die Vernunft dem zu unterliegen droht.
Die affektiven Resonanzen bzw. Emotionen sind auch für die Inklusion von maßgeblicher Bedeutung, so die These von Markus Dederich, aber sie wurden bisher kaum ins Blickfeld gerückt. Eine Sozialtheorie bleibt aber unvollständig, wenn sie den affektiven Resonanzraum ausblendet. Dessen Mechanismen sind zwar gesellschaftlich gerahmt und kulturell kodiert, sie lassen sich aber nur sehr schwer durch moralisch getönte Appelle ein- oder ausschalten.
Karolina Goschiniak, Sabine Hecklau-Seibert, Viktoria Grundmann und Bernd Traxl analysieren die innere Seite der Inklusion in Kindergruppen. Der normative Druck nach inklusiver Praxis erzeugt oft Schuldgefühle, diesen Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Wir benötigen einen Raum zur Selbstreflexion, Mentalisierung und Empathie, in dem alle dem potenziellen Erleben der betroffenen Personen nachspüren können.
Wie wird schulische Leistung von Lehrpersonen verstanden und interpretiert und was für ein Verständnis von Inklusion geht hiermit einher? Dieser Frage geht Tanja Sturm nach. An einem Beispiel zeigt sie auf, dass die Lehrerinnen in einer inklusiv arbeitenden Grundschule ein individuelles Leistungsverständnis haben, das mit dem programmatischen Verständnis von Inklusion kollidiert.
Lisa Hoffmann, Mike Trauntschnig, Cornelia Gerdenitsch und Susanne Schwab analysieren in einer Studie die soziale Akzeptanz von SchülerInnen aus verschiedenen Blickwinkeln. Dabei wird insbesondere die soziale Akzeptanz von SchülerInnen ohne Sonderpädagogischen Förderbedarf (SPF) mit jener der Peers mit SPF verglichen. Lehrkräfte schätzen die soziale Akzeptanz von SchülerInnen mit SPF niedriger ein als die von SchülerInnen ohne SPF. Bei der Selbsteinschätzung und der Einschätzung der Eltern finden sich keine Unterschiede.
Mike Trauntschnig und Tanja Ganotz schauen sich das Selbstkonzept dieser SchülerInnen genauer an. Im akademischen Selbstkonzept finden sie Unterschiede, im globalen Selbstwert nicht.
Shen Guoqin berichtet über die sozial-kognitive Förderung von chinesischen Kindern mit Autismus. Der Fortschritt der Kinder stimmt positiv, wenn ihnen in einer natürlichen Umgebung mit großem Einfühlungsvermögen begegnet wird.
Es gibt eine Sprache jenseits aller Worte, und Lotta spricht sie fließend. Lotta kann niemandem die Hand geben, doch andere um den Finger wickeln – das kann sie, so ihre Mutter Sandra Roth. „Du bist eine von meinen. Komm, ich bring dich zu deinem Platz!“ Diese Einladung von einer Lehrerin wünscht sich ihre Mutter auf der Suche nach einem Klassenzimmer für Lotta.
Hoffentlich können Sie sich in so manche Geschichte im Magazinteil hineinfühlen. In den „sozialen“ Echokammern gibt es nur noch das multiplizierte Eigene, es gibt kein Anderes mehr. Gegensätze machen uns blind, gleichgültig, ja manchmal sogar feindselig gegenüber Menschen, die anders sind als wir. Wir werden unfähig, die Wirklichkeit mit ihren Augen zu sehen. Wer ausschließen will, der vereinfache.
Zwei ganz besondere Brüder stellen wir Ihnen im Fotoessay vor: die Zwillinge Jörg und Rolf Fischer. Beide sind gehörlos und blind. Für uns kaum vorstellbar, wie sie das Leben meistern, oft blitzt auch der Humor auf, der die begleitende Fotografin Marlena Waldthausen in Staunen versetzte. Sie leben in einer engen Beziehung, sind stets füreinander da. Sollte uns das nicht anregen, das Denken in Gegensätzen durch ein Denken in Beziehungen zu ersetzen?
Erst in der Beziehung zum Anderen wird jemand im vollen Sinne ein Mensch.
Josef Fragner
Chefredakteur
josef.fragner@behindertemenschen.at
Leseproben:
Inklusion und Emotion
Nachfolgend soll eine Hypothese entfaltet werden, die im theoretischen Diskurs und der mittlerweile ausdifferenzierten und facettenreichen empirisch-quantitativen und qualitativen Forschung zur (schulischen) Inklusion gelegentlich aufblitzt, aber bisher nicht systematisch in den Blick genommen worden ist. Diese Hypothese besagt in ihrer schlichtesten Formulierung, dass affektive Resonanzen bzw. Emotionen für inklusive Prozesse und deren Ge- und Misslingen im Allgemeinen sowie für die soziale Inklusion im Besonderen von maßgeblicher Bedeutung sind.
Eine Schule für Lotta
Wann gelingt Inklusion? Die Autorin Sandra Roth erzählt, wie sie für ihre behinderte Tochter ein Klassenzimmer sucht.
Zwei ganz besondere Brüder
Acht Monate lang hat Marlena Waldthausen die taubblinden Zwillinge Jörg und Rolf Fischer mit ihrer Kamera begleitet. Beide sind gehörlos geboren und auf Grund eines schweren Diabetes im Laufe ihres Lebens erblindet. Daher erleben sie die Welt anders als die meisten Menschen.
Wenn Undenkbares denkbar wird – Zur Betrachtung von Schuldgefühlen in der Inklusion am Beispiel des Forschungsprojekts „Fachkräfte stärken für Inklusion“
In unserem Beitrag gehen wir der Frage nach, wie das Spannungsfeld zwischen dem Recht auf gleichberechtigten Zugang zur Gemeinschaft und dem Zwang zur Gemeinschaft im Bereich der Kindertageseinrichtungen auf die pädagogischen Fachkräfte wirksam werden kann. Wir gehen davon aus, dass – wenn nur die äußeren Faktoren der Inklusion in Betracht gezogen werden, also lediglich die Rahmenbedingungen verändert werden – die Gefahr besteht, dass Zwänge entstehen, die sich eher kontraproduktiv auf die Entwicklung einer inklusiven sozialen Gemeinschaft auswirken könnten.
Wir sind keine Helden!
Ich habe seit längerem das Gefühl, dass sich beim Thema Behinderung gesellschaftlich zwei vollkommen gegensätzliche Tendenzen abspielen. Auf der einen Seite werden Behindertenrechts-Konventionen unterschrieben und man verspricht in allen Lebensbereichen Teilhabe zu erwirken. Die Schulpolitik hat die Inklusion als wichtiges Thema entdeckt, auch wenn sie leider vielerorts immer noch sehr schlecht umgesetzt wird.
Behindert in Uganda: Überleben als Erfolgsprojekt
Die Tiroler Organisation „Kindern eine Chance“ leistet in Ostafrika Pionierarbeit in der Behindertenarbeit. Die Idee dazu wurde aus der schieren Not heraus geboren.
Inhalt:
Artikel | |
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Inklusion und Emotion
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Wenn Undenkbares denkbar wird
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Leistung und Leistungsbereitschaft
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Die soziale Akzeptanz von SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf
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Gibt es Unterschiede im Selbstkonzept von SchülerInnen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf?
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Die Förderung der sozial-kognitiven Entwicklung von chinesischen Kindern mit Autismus
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Eine Schule für Lotta
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Oldenburg will Inklusion
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Es braucht Strafen, die wehtun
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Zuversicht und Zusammengehörigkeit
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Gedächtnis und Vergangenheit
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Wir sind keine Helden!
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Inklusion und Emotion
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„Eiszeiten – Chasing Gold“ – ein berührend inklusives Kinoerlebnis
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Zwei ganz besondere Brüder
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Plädoyer für eine berufsethische Haltung
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Behindert in Uganda: Überleben als Erfolgsprojekt
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Von der Waldesruh ins Weltall – Sternenpark Westhavelland
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Graz: Tag der Barrierefreiheit
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Meldung Behinderte Menschen öfter Opfer von Verkehrsunfällen
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Museum Niederösterreich: Ausgezeichnet barrierefrei!
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Der 12. ÖZIV-Medienpreis geht an Manfred Fischer und Nina Prasse
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E-Rollstuhlsimulator für die Virtuelle Brille
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20 Jahre LIFEtool
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Blog mit Filmtipps
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Broschüre „Im Wechsel“ in Leichter Sprache
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Broschüre zum Behindertentestament
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Leistbare Inklusion im Wohnbau
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Ohrenkuss zum „Ozean“
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SozialMarie 2019
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Zukunft Personal Austria: Chancen am Arbeitsmarkt geben
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Kurzmeldung mit Behinderung
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Literarische Inklusion durch Ohrenschmaus
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Beim Zahnarzt
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