Einander verstehen ohne Sprache
Der konkrete Rechtsanspruch für eine Unterstützte Kommunikation lässt in Österreich leider noch auf sich warten.
Intro:
Einander verstehen ohne Sprache
„Du verstehst mich nicht!“ Es ist schon bei sprechenden Partnern schwer genug, richtig verstanden zu werden. Aber stellen Sie sich vor, Ihre Laute werden überhaupt nicht verstanden, Ihre Gesten stoßen auf Unverständnis oder werden missinterpretiert, Sie sind in Ihrer Welt eingeschlossen, Sie versuchen auszubrechen, aber niemand versteht Sie. Das ist der Stoff für Albträume. Aber viele behinderte Menschen leben in solch einer Situation.
Kommunikation ist ein Menschenrecht. Dieser Anspruch zieht sich durch den gesamten Vertragstext der „UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung“. Beim konkreten Rechtsanspruch hapert es leider in Österreich noch. Viele Angehörige und Betroffene werden allein gelassen oder im Kreis geschickt, wenn es um notwendige Beratung und Versorgung geht.
Georg Renner streicht in seinem Beitrag heraus, dass Unterstützte Kommunikation (UK) für betroffene Menschen nicht in erster Linie eine pädagogisch-therapeutische Maßnahme ist, sondern Kommunikation und nichts anderes. Deshalb fordert er eine Ausrichtung auf Teilhabe, die eine Inklusion in vielen Bereichen erst ermöglicht. Entscheidend für die ersten Zeichen in der UK sind nach Irene Leber die Motivation und die Erfolgserlebnisse. Das Verständnis für Zeichen ist nicht Voraussetzung für den Gebrauch von Zeichen. Annette Kitzinger schildert, wie ihre Tochter Meta mit Hilfe des iPad immer mehr Unabhängigkeit erlangte. „Optimistisch stimmt mich, dass Meta mit ihrem iPad bisher überall auf Leute traf, die sich mit dem Gerät auskannten.“ Claudio Castañeda weiß aufgrund seiner Erfahrungen, dass die Frage, wie wir Kommunikation vermitteln, bedeutender ist als allein die Frage, was wir anbieten können. Bei aller Explosion der technischen Möglichkeiten dürfen wir nicht vergessen, dass diese dem menschlichen Dialog zu dienen haben.
Wer schreibt hier eigentlich? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Studien über die Methode der „Gestützten Kommunikation“ (FC) und es wurden viele kritische Einwände vorgebracht bis zur Empfehlung, dass FC nicht angewendet werden soll, da sie nicht bei der Kommunikation helfe. Aber es gibt auch die gelebte Erfahrung, die Zutrauen entstehen und so manche Diagnose alt aussehen lässt. Und dann gibt es die vielen Beispiele von behinderten Menschen, die FC vehement verteidigen.
Der mediale Hype ist verflogen, die Heilsversprechungen sind abgeklungen, so können wieder differenzierte Fragen gestellt werden. Christiane Nagy stellt in ihrem Beitrag heraus, dass es bei FC um viel mehr geht als um eine Kommunikationsmethode. Die gestützte Person soll sich als handelnde Person erleben, besonders durch die eigenständig ausgeführte Zeigegeste, mit der unter Verwendung von Symbolen und Schriftzeichen sich jemand autonom und vielseitig mitteilen kann. Also weg vom Methodenstreit hin zur personalisierten Vorgangsweise. Auch Christoph Lesigang plädiert in seinem Beitrag dafür, dass FC so früh wie möglich – in Zusammenarbeit mit den Eltern – im Sinne von gestütztem Zeigen eingesetzt wird. Patrik Berger zeigt an einer Sequenz auf, wie sensibel der Dialog gestaltet werden muss, aber auch, wie ermutigend und hilfreich er sein kann. Seine persönlichen Erfahrungen machen Dietmar Zöller eindeutig. Für ihn war das gestützte Schreiben der Türöffner zur Welt und die einzige Möglichkeit zu kommunizieren und er hofft auf die Ergebnisse der neuesten Hirnforschung, die seine persönlichen Erfahrungen auch wissenschaftlich absichern.
Wie immer: Geschichten aus dem Leben, eindrucksvolle Reportagen, ein Essay, der zum Nachdenken anregt, beachtenswerte Kunstwerke, Kolumnen mit spitzer Feder geschrieben, rechtliche Klarstellungen, viele Tipps – also ein bunter, lesenswerter Magazinteil.
Diesmal: Das Heft ist mit großer Unterstützung von lifetool entstanden, besonders zuvorkommend Verena Reisinger. Vielen herzlichen Dank!
Leseproben:
Gestützte Kommunikation heute – Erfahrungen und Gedanken
Meine erste Begegnung mit FC (Facilitated Communication – Gestützte Kommunikation) liegt ziemlich genau 25 Jahre zurück. Unser autistischer Sohn hatte früh gesprochen, sich schon mit drei Jahren für Formen und Buchstaben interessiert – und dann bis zum fünften Lebensjahr allmählich die Sprache wieder verloren.
Was ich daraus gemacht habe – Unterstützte Kommunikation im Alltag
Es ist 7.47 Uhr. Ich liege in meinem Bett in meiner eigenen kleinen Wohnung. Unruhig bewege ich mich hin und her. Ich träume. Langsam wache ich auf. Was war das für ein gruseliger Albtraum? Hätte wohl so mein Leben ausgesehen, wenn mir die Mittel von Unterstützter Kommunikation (UK) nicht zur Verfügung gestanden wären?
Was wäre wohl gewesen, wenn meine Mutter nicht von Anfang an von der Tatsache überzeugt gewesen wäre, ihre Tochter könne kommunizieren? Was wäre wohl gewesen, wenn ich nicht immer wieder Menschen getroffen hätte, die mit unendlicher Geduld für mich nach individuellen Lösungen gesucht hätten? Und was wäre wohl gewesen, wenn ich irgendwann frustriert aufgegeben und nicht diesen verdammten Dickschädel gehabt hätte? Nun ja, ich wäre wohl wirklich im Bällchenbad versunken. Zum Glück bleibt es aber ein schrecklicher Albtraum!
Auch wer nicht sprechen kann, hat viel zu sagen! – LIFEtool hilft
Stellen Sie sich vor: Sie sind durstig und können sich kein Glas Wasser bestellen, weil Sie nicht sprechen können. Oder: Sie haben Bauchschmerzen und können nicht sagen, wo es genau wehtut. Niemand versteht Ihre Gesten oder noch schlimmer, Sie werden falsch verstanden.
Das Richtige sagen
Immer wieder einmal bekomme ich vorgeworfen, dass man sich einer Familie mit einem Kind gegenüber ja gar nicht richtig verhalten KÖNNE! Egal, was man sagt – alles sei falsch.
So weit die Hände tragen
Auf einer Demonstration gegen das Schreckensregime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad trifft den 17-jährigen Syrer Abdullah Zaror eine Kugel in den Rücken. Seitdem sitzt er im Rollstuhl. Mit der Hilfe seiner Familie und Freunde floh er nach Deutschland. Wir erzählen die Geschichte seiner Flucht.
Inhalt:
Artikel | |
---|---|
Nicht sprechen können und trotzdem teilhaben
|
|
Erste Zeichen in der Unterstützten Kommunikation bei Kindern mit Behinderungen
|
|
Erwachsenwerden mit dem iPad
|
|
UK & Autismus?!
|
|
Gestützte Kommunikation heute
|
|
Wer schreibt eigentlich bei der Gestützten Kommunikation?
|
|
„kunst sehr speziell. es geht um das schaffen von woertern und saetzen“
|
|
Die Gestützte Kommunikation ist für nichtsprechende Autisten unverzichtbar
|
|
Ist das iPad der bessere Talker?
|
|
Selbstbestimmt mit Hilfe von Technik
|
|
Was ich daraus gemacht habe
|
|
Auch wer nicht sprechen kann, hat viel zu sagen!
|
|
Kommunikation ist ein Menschenrecht
|
|
LIFEtool-Apps
|
|
Wie fange ich bloß an?
|
|
Bewährte Apps für die Kommunikation
|
|
Das Richtige sagen
|
|
Leicht Lesen – Texte besser verstehen
|
|
Die vier Bewusstseinsstufen der Kommunikation
|
|
Panoramabahn mit Sommerrodel-Feeling
|
|
So weit die Hände tragen
|
|
Daniela Bas: Ab und zu muss ich statt meiner Schuhe die Räder wechseln!
|
|
Die Mutter aller Fragen und was in Klagenfurt dabei herauskommt
|
|
Babyface mit loser Zunge
|
|
Para-Kanu
|
|
Arbeitszeiten an eigene Bedürfnisse anpassen
|
|
Gut leben im Alter
|
|
OTWorld in Leipzig: Leben mit unterstützender Technik
|
|
Gleichstellungsgesetz trotz Kritik beschlossen
|
|
Kommunikations-Förderung bereits im Kindergartenalter
|
|
IKT: Informations- und Kommunikationstechnologie
|
|
Einheitliche Leitsymbole
|