LIFEtool (Ein junger Mann sitzt am Tisch vor seinem Laptop und bedient das Gerät mit einer Mundsteuerung)

Foto: LIFEtool
aus Heft 3/2016 – LIFEtool

Auch wer nicht sprechen kann, hat viel zu sagen! – LIFEtool hilft

Stellen Sie sich vor: Sie sind durstig und können sich kein Glas Wasser bestellen, weil Sie nicht sprechen können. Oder: Sie haben Bauchschmerzen und können nicht sagen, wo es genau wehtut. Niemand versteht Ihre Gesten oder noch schlimmer, Sie werden falsch verstanden.

Es gibt eine Fülle an Hilfsmitteln, die bei der Kommunikation unterstützen. Technik kann helfen – aber nur dann, wenn sie sich dem Menschen und seinen individuellen Bedürfnissen anpasst. Und genau das macht das gemeinnützige Unternehmen LIFEtool aus Linz.

LIFEtool bedeutet wörtlich übersetzt „Lebenswerkzeug“ – dementsprechend hat LIFEtool sich das Ziel gesetzt, mit dem Einsatz von „Lebenswerkzeugen“ in Form von Assistierenden Technologien und der (Computer) Unterstützten Kommunikation (UK) die Lebensqualität für Menschen mit fehlender Lautsprache und Menschen mit körperlicher Behinderung sowie Menschen mit Lernbeeinträchtigung zu erhöhen.

Die Berater und Beraterinnen helfen, technische Hilfen und Kommunikationshilfen für Menschen mit Behinderungen anzupassen. Sie arbeiten mit möglichst allen beteiligten Personen im Umfeld zusammen und bieten individuelle, kostenlose und verkaufsunabhängige Beratung, fachspezifische Schulungen und Workshops sowie Beratung über finanzielle Fördermöglichkeiten für Betroffene, Angehörige und Betreuungspersonen. Es besteht auch die Möglichkeit, die Hilfsmittel nach Verfügbarkeit in der gewohnten Umgebung zu testen. Die Berater geben ihr Wissen auch in Workshops und Seminaren zum Thema Unterstützte Kommunikation und Assistierende Technologien weiter. 

Das LIFEtool-Beratungsnetzwerk ist gemeinnützig, wird von Einrichtungen der Diakonie und dem slw Soziale Dienste der Kapuziner getragen und von öffentlichen Stellen und Sponsoren gefördert. Die Beratungen finden in den LIFEtool-Beratungsstellen in Wien, Linz, Graz, Kärnten und Tirol statt. Daneben gibt es auch telefonische Beratung, Beratung per E-Mail und in Bedarfsfällen auch Beratungen bei den Betroffenen vor Ort.

Der Trend zum iPad hält an

Mittlerweile dreht sich ein Großteil der Beratungen bei LIFEtool um die Einsatzmöglichkeiten von Tablet-Computern (überwiegend iPads) in Verbindung mit entsprechenden Apps und Zubehör wie zum Beispiel Schutzhüllen. Parallel dazu werden auch komplexe Kommunikationshilfen wie Augensteuerungscomputer und dynamische Sprachausgabegeräte beraten. Nichtelektronische Hilfsmittel wie Symbolkärtchen und einfache Hilfen wie sprechende Taster oder Geräte zur Umfeldsteuerung helfen bei den ersten Schritten auf dem Weg zu einer gelingenden Kommunikation in der Schule, bei der Arbeit oder Zuhause. Mausersatzgeräte wie spezielle Tastenmäuse oder auch die Mund-Computermaus IntegraMouse Plus von LIFEtool schaffen für Menschen, die keine herkömmliche Computermaus bedienen können, einen Zugang zum Computer am Arbeitsplatz und zu Hause.

Das Interesse an Tablet-Computern wie dem iPad ist so groß, weil sie einfach zu bedienen sind, man sie überall hin mitnehmen kann und sie günstiger sind als viele andere Hilfsmittel. Die Tablets sind außerdem kein spezielles Hilfsmittel, sondern genau das Tool, das auch die Eltern, die Schulfreundin oder der Arbeitskollege verwenden. Kurzum: Tablet-Computer stigmatisieren nicht, sind günstig und können sehr viel. LIFEtool hat gemeinsam mit der FH Hagenberg und der JKU Linz erforscht, wie die Tablet-Technologie adaptiert werden muss, damit auch Menschen mit Behinderung sie gut bedienen können.

Forschung und Entwicklung bei LIFEtool

Forschung und Entwicklung sind neben der Beratung die zweite Säule bei LIFEtool gemeinnützige GmbH. PädagogInnen, PsychologInnen, TherapeutInnen und TechnikerInnen entwickeln interdisziplinär Software und mittlerweile Apps für die Sonderpädagogik und alternative Eingabehilfen wie die neue IntegraMouse Plus für Menschen mit Behinderung. LIFEtool beteiligt sich gemeinsam mit universitären ForschungspartnerInnen an aktuellen Forschungsprojekten, um neueste Technologien für Menschen mit Behinderung und Menschen im Alter zugänglich zu machen.

Unterstützte Kommunikation hilft – je früher, desto besser

Die Geschichten von Liam, Isabella und Mario stehen stellvertretend für viele weitere. Allen solchen Erfolgsgeschichten gemein ist der Prozess der Begleitung. Je früher ein Kind mit den Möglichkeiten Unterstützter Kommunikation vertraut wird, desto besser für die kommunikative Entwicklung. Wir sehen aber auch bei Erwachsenen, die erst spät mit UK beginnen, dass es Entwicklungsmöglichkeiten und Erfolge gibt.

Wichtig ist, dass jede Beratung individuell erfolgt und ein enges Zusammenspiel von Berater/in, Klient/in und dem betreuenden Umfeld vorhanden ist.

 

 

Liam

Der sechsjährige, lebensfrohe Junge aus Offenhausen kann weder gehen noch selbst sprechen. Aber er hat viel zu sagen – und das macht er mit seinen Augen. Er verwendet einen augengesteuerten Computer, um mit seiner Familie und seinen Freunden im Kindergarten zu kommunizieren. Seine Mutter hat für Liam den Traum, dass er einmal studieren und selbstbestimmt sowie möglichst autonom sein Leben führen kann. Dank moderner Technologie und einem liebevollen und unterstützenden Umfeld stehen ihm diese Möglichkeiten offen.

 

Isabella

Ohne das großartige Engagement der Eltern wäre Isabellas Geschichte anders geschrieben worden. Als die Diagnose Rett-Syndrom feststand, war für Isabellas Mama klar, dass sie alles in Bewegung setzen würde, um ihrer Tochter die Möglichkeit zu geben, sich möglichst selbstständig mitteilen zu können. Mittlerweile hat Isabella gelernt, mittels Sprachcomputer zu kommunizieren, den sie mit dem Kopf steuert. Das iPad verwendet sie gern, vor allem, weil es auch die beiden Schwestern cool finden. Isabella lebt mit ihrer Familie in Pichl bei Wels.

 

Mario

Bei Mario alias Deejay Ridinaro war das Leben nach einer Party und einem Sturz ins knietiefe Wasser mit einem Schlag anders: Er ist seither querschnittgelähmt und kann seine Arme und Finger nur eingeschränkt nutzen. Den Computer bedient der Leondinger mittlerweile mit der IntegraMouse Plus, einer Computermaus, die nur mit dem Mund bedient wird und von LIFEtool selbst entwickelt wurde. Letztes Jahr ging sein Herzenswunsch in Erfüllung: Er konnte auf dem Donauinselfest als Deejay Ridinaro den Boden zum Beben und die Menschen zum Tanzen bringen.