Emotional-soziale Entwicklung kompakt
Sie fordern sich und uns heraus. Vieles ist unbegreiflich, die Wege zum Verstehen sind verschlungen, aber nichts führt daran vorbei, dass wir zu ihnen stehen.
Intro:
Emotional-soziale Entwicklung kompakt
Die Fotos der Straßenkinder verstören, Fara Phoebe Zetzsche hat sie neun Monate lang in Berlin begleitet. So „einfach“ kann das losgehen: Mal mit Kumpels abhängen. Was trinken. Zu viele Drogen. Die Leistungen in der Schule werden schlecht. Die Eltern reden nicht mit einem. Man fühlt sich verloren. Auf der Straße werden Freundschaften zum Familienersatz. Die Jugendlichen suchen Nähe und Vertrauen, eine feste, funktionierende Beziehung, obwohl sie auf der Straße tough sein müssen, schildert Zetzsche. Wie schaut ihre Zukunft aus?
Dieser Zukunft ist Johannes Böhme nachgegangen. Als Zivildiener fuhr er eine Gruppe Kinder in den Kindergarten, allesamt „Sorgenkinder“. Neun Jahre später suchte er wieder nach ihnen. Entstanden sind „sieben Geschichten über das Aufwachsen mit Problemen, über Armut und Wohlstand, über Glücksfälle und Schicksalsschläge, über starke Eltern und schwierige Kinder“. Es sind die Geschichten von Sascha, David, Ronja, Lion, Lennard, Kjell und Patrick, von Gerhard Einsiedler und Eva-Maria Gugg anschaulich aufbereitet.
Der Thema-Teil trägt die Handschrift von Thomas Müller und dem Lehrstuhl „Pädagogik bei Verhaltensstörungen“ an der Universität Würzburg. Die Fragen zum Personenkreis im Förderbereich „Emotional-soziale Entwicklung“ stellt Roland Stein. Andreas Elbert und Michaela Fischer zeichnen die Prinzipien von Erziehung und Unterricht heraus. „Als zentrales Prinzip der Unterrichtsgestaltung gilt das des ,therapeutischen Milieus‘: Es beinhaltet besonders die Annahme von und die Empathie gegenüber den Schülern.“
Sophie C. Holtmann und Tony Hofmann fragen nach den Gütekriterien einer gelingenden sonderpädagogischen Diagnostik. „Es geht nicht darum, mittels Diagnostik pauschal Eigenschaften eines Kindes zu ermitteln. Es kommt darauf an, konkret und individuell dem subjektiven Erleben des Kindes in einer spezifischen Situation Raum zu geben“ und sie fragen: „Wie wäre es, würde ich so etwas über mich persönlich lesen?“.
Thomas Müller unterscheidet zwischen Vertrauen und Verlässlichkeit. Sich auf jemanden verlassen können, also nicht allem mit Misstrauen zu begegnen, ist schon eine Höchstleistung. Vielleicht erwarten wir zu viel, wenn Vertrauen mit Vertrauen beantwortet werden soll. Pierre-Carl Damian Link OSA analysiert die Dialektik von Allmacht und Ohnmacht in der pädagogischen Beziehungsarbeit. Er plädiert für eine „Haltung kultivierter Unsicherheit“. Pädagogik sollte „fürsorglich und empathisch der Erfahrung von Beziehungslosigkeit entgegenwirken“. Katharina Obens präsentiert erste Ergebnisse des Forschungsprojekts „Terrorangst und Radikalisierungsprävention“. Dabei ist es Aufgabe der Schule, „ein Klima zu schaffen, das den Austausch von Ängsten und Diskriminierungserfahrungen ermöglicht“.
Sophie C. Holtmann und Pierre-Carl Damian Link OSA stellen Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung in den Fokus ihres Beitrags. „Die Schwierigkeit besteht darin, einen ethisch verantwortlichen Weg zu finden, Kindern Raum für ihre Ängste und Nöte zu geben“. Annika Tulke beschäftigt sich mit einer besonderen Herausforderung: Erziehung im Jugendstrafvollzug. Dorothea Ehr wirft einen ganzheitlichen, multidimensionalen Blick auf Angststörungen, eine der häufigsten, aber kaum bemerkten Problematiken im Kindesalter.
„Du forderst mich mit Deinem Verhalten heraus und ich versuche zu verstehen, warum Du dies tust. Vielen ist unbegreiflich, warum ein Kind so offensichtlich gegen seine eigenen Bedürfnisse und gegen jegliche Vernunft handelt“, so Stephanie Blatz. Sie sucht nach Wegen der frühen Förderung. Hans-Walter Kranert beschäftigt sich mit den Hürden, die für viele Jugendliche im Übergang zum Beruf vorhanden sind. Sarah Hanglberger stellt ihrem Beitrag über Beratung das Motto voraus: „Es gibt etwas zu verstehen, bevor tragfähige Veränderung entstehen kann.“
Ein kompaktes Heft mit einem breiten Themenspektrum, das den realen Herausforderungen auf dem Gebiet der Emotional-sozialen Entwicklung gerecht zu werden versucht.
Leseproben:
Vertrauen oder Verlässlichkeit?
In der sonderpädagogischen Praxis tut man oft so, als sei ohne Vertrauen keine professionelle Beziehung möglich. Zumindest scheint dies als Axiom über der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu schweben. Man müsse „erst einmal Vertrauen schaffen“ oder „ohne Vertrauen geht nichts“ sind Sätze, die man immer wieder hören kann, besonders dann, wenn es schwierig wird, man nicht weiter weiß, sich Vertrauen nicht einstellen will oder dieses zerbrochen scheint.
Inklusion – quo vadis?
Der Leiter des Institutes für Inklusive Pädagogik und des Bundeszentrums Inklusive Bildung und Sonderpädagogik (BZIB) an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich, Ewald Feyerer, im Interview:
Chancen der ästhetischen Bildung: Gegen die Biografie des Scheiterns
Im Forschungsprojekt WaeBi untersucht die Universität Würzburg Gelingensbedingungen und Wirkungen ästhetischer Bildung für Jugendliche in sozial schwierigen Situationen. Hierzu werden bundesweit Projekte besucht, die sich mit den Mitteln der ästhetischen Bildung um Jugendliche kümmern.
Erziehung und Unterricht im Kontext einer Pädagogik bei Verhaltensstörungen
Ausgangspunkt unserer Überlegungen zu Erziehung und Unterricht bildet eine vorerst vom Kontext Verhaltensstörungen unabhängige Beschäftigung mit der Frage, wodurch sich heilpädagogisches Handeln auszeichnet. Zunächst ist es als modifiziertes allgemeinpädagogisches Handeln zu begreifen, eine spezialisierte Heilerziehung verändert das Vorgehen der allgemeinen Erziehung nicht grundlegend (vgl. Hillenbrand 1999, 14f.). Möckel (1982) liefert mit seiner heilpädagogischen Konzeption ein bedeutsames Verständnis von Heilpädagogik, das im Hinblick auf Erziehung und Unterricht und somit im Hinblick auf die Organisation von Lernen als Handlungsbasis gedacht werden kann.
Vom Vorreiter zum Nachzügler
Österreich unterzeichnete zwar als erster Staat die UN-Behindertenrechtskonvention, liegt in der Umsetzung aber in nahezu allen Bereichen zurück. Ein kritischer Blick auf die heutige Situation.
Scheiße – Windeln!
Willi ist nun schon elf Jahre alt. Ich finde, dass vieles über die Jahre einfacher geworden ist. Das eine oder andere wird jedoch auch schwieriger, wenn sich langsam entwickelnde Kinder groß werden. Außer der Zunahme des Körpergewichts empfinde ich zum Beispiel die Zunahme des Windelinhaltes als durchaus unpraktisch.
Inhalt:
Artikel | |
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Förderbereich emotional-soziale Entwicklung: der Personenkreis
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Erziehung und Unterricht im Kontext einer Pädagogik bei Verhaltensstörungen
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Prozess – Interaktion – Erleben
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Vertrauen oder Verlässlichkeit?
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Zur Dialektik von Allmacht und Ohnmacht pädagogischer Beziehungsarbeit
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Resilienz stärken, Verletzbarkeit anerkennen
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Ziele und Zugänge traumapädagogischer Arbeit
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Erziehung im Jugendstrafvollzug – eine sonderpädagogische Herausforderung?
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Angststörungen – eine vergessene wie auch verkannte Problematik?
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Frühe Förderung und Prävention
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Transition Schule – Beruf
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Beratung im Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung
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Chancen der ästhetischen Bildung: Gegen die Biografie des Scheiterns
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Die Geschichten von Sascha, David, Ronja, Lion, Lennard, Kjell und Patrick
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Scheiße – Windeln!
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Ein Ton namens I
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Inklusion – quo vadis?
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Problemfeld „Autismus und Schule“
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„Stray Kids“ – Auf den Straßen Berlins
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Gemeinsames Reisen mit allen Sinnen für blinde und sehende Menschen
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Auf dem Weg aus der Isolation
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Vom Vorreiter zum Nachzügler
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Ohrenschmaus aufgeblättert!
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Schulische Inklusion
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Zur Sprache finden mit Sinn-Bildern
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SASCHA – „Nicht mehr auffallen“
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DAVID – „Ich habe mich angepasst“
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RONJA – Rückennummer 28
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LION – „Ist doch alles gut!“
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LENNARD & KJELL – Mittelschicht
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PATRICK – „Weil sie mich beleidigen“
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