Mein Autismus
Das Autismus-Spektrum hat viele Gesichter. Mit der Kategorie „Störung“ versperren wir nur den Zugang zum individuellen Verständnis.
Intro:
Mein Autismus
„Versuchen Sie mal mit Autismus zu leben“, fordert uns Gee Vero in ihrem Beitrag auf. Sie lässt uns in ihre Welt eintauchen. Reize sind für sie immer wieder neu und damit potenziell gefährlich, zu viele Reize bewertet ihr Gehirn als zu wichtig, ihre Wahrnehmungsfilter sind zu durchlässig. „Für mich ist jeder Tag immer wieder ein komplett neuer Tag“. Sie schildert ihre Strategien, wie sie ihr System beruhigt, da es zu viele Gefahren meldet. Das eröffnet uns Perspektiven des Verstehens.
Personen mit Autismus-Spektrum lassen uns in ihre Wahrnehmung der Welt blicken. Für Peter Schmidt droht Chaos, wenn haltgebende Strukturen unerwartet wegbrechen. Hajo Seng sucht nach den passenden Lebensumständen, indem er Stress und Wahrnehmungsreizen aus dem Weg geht, was ihm lange nicht gelang. Dietmar Zöller, der das unterstützte Schreiben als große Hilfe bei der Stressbewältigung erfährt, muss leider mit zunehmendem Alter erfahren, dass seine Unruhezustände wieder zunehmen.
Matthias Huber nimmt uns mit in seinen Alltag, in dem er manchmal drinnen, manchmal vollkommen daneben ist, aber er ist immer wieder fasziniert von dem, was alles „Alltag“ ist. Christine Preißmann beschreibt nicht nur ihre Strategien, mit Stress umzugehen, sondern sie lässt auch viele andere Personen zu Wort kommen. Ihre Lösungen sollen dazu anregen, individuelle Hilfen zu finden, um den Alltag zu meistern.
Die authentischen Beiträge werden durch die biographischen Vignetten, die unser Textchef Gerhard Einsiedler verfasst hat, eindrucksvoll ergänzt.
Christina Feschin und Georg Theunissen zeigen das Zusammenwirken von Autismus-Spektrum und ADHS auf, diskutieren typische Erscheinungsformen und bieten Anregungen für den Umgang problematischer Verhaltensweisen an. Dass Menschen mit Autismus-Spektrum als Experten in eigener Sache im Rahmen des Peer Counseling tätig sein können, bekräftigt Georg Theunissen in seinem zweiten Beitrag.
Peter Rudlof, die unermüdliche Seele dieser Zeitschrift, treibt immer wieder herausragende Geschichten auf. Christine Izeki hat für uns den japanischen Bestsellerautor Takuji Ichikawa getroffen und mit ihm über sein Werk, aber auch über sein persönliches Leben gesprochen. Der Schriftsteller Paulus Hochgatterer ermutigt uns, mit „Zwei Wörter“ über die gegenwärtige Situation nachzudenken. Birte Müller lässt uns diesmal in die schulische Welt von Willis Schwester Olivia blicken: „Es hätte mir sehr zu denken geben müssen, dass Olivias neue Schule von keinem einzigen behinderten Kind besucht wurde: ein ganz schlechtes Omen!ì Wir dürfen ein Kind nicht nach unserem Willen formen, so Christel Manske in ihrem Essay. Sie schildert, wie sie ihr Therapiewissen zurückstellt, um sich auf die Einzigartigkeit von Ferdinand einzulassen.
Sabine Findeisen drückt die Einzigartigkeit von Kylie M. durch Fotos aus. Kylie ist ein 13 Jahre altes Mädchen mit frühkindlichem Autismus und aus jedem Foto spürt man, wie sie in ihrer Welt lebt. In einer anderen Welt lebt der Künstler Tim ter Wal, den wir mit seinen detailgenauen Kunstwerken vorstellen. Er braucht keine Kamera, seine Bilder, die oft in wochenlanger Arbeit entstehen, ruft er aus seinem fotographischen Gedächtnis ab. Alles – wie das gesamte Heft – sorgfältig und einfühlsam aufbereitet von unserer Art-Direktorin Eva-Maria Gugg.
Reinfried Blaha entdeckt die Welt des Wilden Westens nicht auf dem Rücken eines Pferdes, sondern auf den Rädern seines Rollstuhls. Über einen völlig neuen Therapieansatz, demzufolge das Kind für seine Situation das „richtige Verhalten“ zeigt, berichtet Gerhard Einsiedler. Und wie immer, schmunzelnd erzählt, aber mit tiefgründigen Gedanken, die Kolumne von Erwin Riess. „Ohrenschmaus“-Literatur und ihre Autorinnen und Autoren holen Gerlinde Hofer und Franz-Joseph Huainigg vor den Vorhang.
Das Autismus-Spektrum hat viele Gesichter. Mit der Kategorie „Störung“ versperren wir nur den Zugang zum individuellen Verständnis. Der Versuch des individuellen Verstehens eröffnet uns Wege, jede Person in ihrem So-Sein anzunehmen und wertzuschätzen.
Leseproben:
Stress und Entspannung bei Menschen mit Autismus
Menschen mit Autismus fühlen sich in allen Lebensbereichen ganz erheblichem Stress ausgesetzt. Lange wurde das nicht als Problem erkannt, und erst allmählich beginnt man, sich im Zusammenhang mit Autismus auch mit den Themen Stress und Entspannung zu beschäftigen. Die Betroffenen selbst beschreiben sehr deutlich, dass sie sich im Rahmen therapeutischer Maßnahmen vor allem Unterstützung im Hinblick auf den alltäglichen Stress wünschen – also Hilfe dabei, wie sie sich in solchen Momenten gut schützen können (Vogeley 2012; Preißmann 2013). Das zeigt, wie belastet sie sich fühlen und welch große Bedeutung dieser Themenbereich hat. Wichtig ist es dabei, vor allem die Erfahrungen von Betroffenen zu erfragen und die Strategien zu beachten, die Menschen mit Autismus für sich erarbeitet haben. In diesem Beitrag kommen daher viele betroffene Menschen selbst zu Wort, die beschreiben, was ihnen hilft. Ihre Lösungen sollen dazu anregen, individuelle Hilfen zu finden, um den Alltag zu meisten.
Wie der japanische Bestsellerautor Takuji Ichikawa die Welt sieht
Die Journalistin Christine Izeki ist in Deutschland zu Hause und sie liebt Japan. Jahrelang lebte sie in der Nähe von Tokio – so entstand auch ihr Buch „111 Orte in Tokio, die man gesehen haben muss“. Für eine Exklusivreportage in der Zeitschrift Behinderte Menschen traf sie kürzlich Takuji Ichikawa: Schriftsteller, 55 Jahre alt – und Asperger-Autist.
Kylie M. – Im Hier und Dort
Seit eineinhalb Jahren folge ich Kylie M. immer wieder auf Schritt und Tritt. Dabei möchte ich mich nicht nur auf den Autismus beschränken, sondern ihr spezifisches Menschsein zeigen.
Meine Ordnung beherrscht das Chaos
Autisten haben wie andere Menschen auch nicht selten nützliche Talente. Autistische Menschen können sich zum Beispiel im Gegensatz zu Menschen mit einer reinen ADHS, die leicht ablenkbar sind, sehr ausdauernd auf eine Sache fokussieren. Doch nur den wenigsten Autisten gelingt es, ihre Kenntnisse und Stärken sowohl für die Gesellschaft als auch für sich selbst Nutzen bringend zu verwerten.
Ein Roadtrip auf acht Rädern
Inspiriert von den Karl May Geschichten faszinierten mich die Landschaften der US-amerikanischen Nationalparks schon als Kind. Fast 30 Jahre später mache ich mich mit meiner Freundin Brinda auf, diesen Teil der Welt zu erobern. Allerdings kann ich ihn nicht erkunden wie Winnetou. Ich sitze nicht auf einem Pferd, sondern auf einem Rollstuhl.
Inhalt:
Artikel | |
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Autismus-Spektrum und ADHS
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Stress und Entspannung bei Menschen mit Autismus
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Versuchen Sie mal mit Autismus zu leben
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Meine Ordnung beherrscht das Chaos
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Faszination Alltag
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Die passenden Lebensumstände finden
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Möglichkeiten der Stressbewältigung
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Peer Counseling
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Wie der japanische Bestsellerautor Takuji Ichikawa die Welt sieht
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Zwei Wörter1
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Zwischen Wunderkind und Pflegefall
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Schulversagen
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Gemeinsam zum Erwachsenenschutzgesetz
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Kylie M. – Im Hier und Dort
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Jedes Kind ist einzigartig
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Ein Roadtrip auf acht Rädern
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Aufblasbare Westen helfen bei Unruhe, Stress und Angst
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ways2see: Selbstverständlich selbstständig durch die Welt
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Ein Mythos: „Es gibt immer mehr Menschen mit Autismus“
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Nullschwellen-Petition für Baden-Württemberg
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Deutschland: Wertvolle Hilfe für Fahrgäste mit Demenz
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Weltautismustag: Weckruf für Respekt und Achtsamkeit
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Jobfit für Menschen mit Autismus-Spektrum
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Neues D-A-CH für Inklusive Medizin
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Informationen über Gewalt in Leichter Sprache
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Autismus-Pionier Asperger im historischen Zwielicht
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Forderung nach einheitlichen Standards für Heimopfer
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Bedingungslose Liebe für besondere Kinder
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Tischtennis verbindet die Welt von Christoph Teppich mit anderen
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Die etwas anderen Paralympischen Spiele
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Im Marchfeld bei Obersiebenbrunn
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Ohrenschmaus aufgeblättert!
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Sandmädchen – Ein Film von Mark Michel
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Kurzmeldung mit Behinderung
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„Mein Gedächtnis ist meine Kamera“
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