Unerhörtes Begehren
„Behinderte Menschen wollen nicht mehr länger die Entfremdung ihrer Körper und die Zerstörung ihrer Wahrnehmung betreiben.“
Intro:
Unerhörtes Begehren
Behinderte Menschen haben ein Recht auf Sexualität. Das ist ein Stehsatz. Doch dieses Recht wird oft nicht erhört. Dafür gibt es viele Gründe: von der Verweigerung der nötigen Intimsphäre bis zur strukturellen Verhinderung einer eigenständig gelebten, lustvollen Sexualität, von den verlogenen Bildern in unseren Köpfen bis zur sexualisierten Gewalt gegen behinderte Menschen.
Das ist doch unerhört! Jetzt auch noch Sex! Nicht selten echauffieren sich Personen, wenn offen über Sexualität behinderter Menschen gesprochen wird.
„Herr Groll schreibt einen Brief“. Unsere Leserinnen und Leser kennen Erwin Riess, alias Herrn Groll, von seiner regelmäßigen Kolumne und hoffentlich von seinen literarisch brillanten Büchern. Er kommt in „Umwege zur Lust“ richtig zur Sache. Manche empfinden den Mut und die Offenheit des Textes als provokant. Für Erwin Riess ist der Brief „als Aufmunterung für einen am Boden liegenden jungen Mann gedacht. Die Tiefe seines Schmerzes und seiner Angst braucht die größte Höhe des Trostes, und die findet sich in der Satire“.
Unverblümt schildert auch ein zweiter körperbehinderter Autor, der anonym bleiben will, seinen Umgang mit der sexuellen Lust. Er fordert offene Gespräche mit kundigen Menschen, die den Themen Sexualität und Partnerschaft breiten Raum geben.
Viele zusätzliche Fragen stellen sich bei Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung.
Der Beitrag von Wolfgang Plaute zeigt die Bedürfnisse und deren psychosexuelle Entwicklungsmomente von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung auf und diskutiert Möglichkeiten der Unterstützung durch deren Eltern. Der Artikel von Svenja Heck beschäftigt sich ebenso mit Elternarbeit, mit Ablösung und Autonomieentwicklung und mit Angeboten zur Begleitung.
Durchforsten Sie auch den Magazinteil! Wie immer informativ, anregend, berührend, wie aus dem Leben gegriffen. Gewürzt mit spitzen Formulierungen unserer Kolumnisten.
Die massenmediale Bilderherrschaft befreit uns beim sexuellen Begehren vielleicht vom Druck antiquierter Normen, umso mehr unterwerfen uns die Bilder unerreichbaren, abstrakten Vorstellungen, denen kaum jemand entgehen kann. Die Selbstoptimierung des menschlichen Körpers stößt zusehends an die Grenzen, er streikt, wird impotent und frigide, produziert unbekannte Krankheitssymptome und erzeugt trotz oder gerade wegen größter Anstrengungen die Angst der Unzulänglichkeit.
Manche behinderte Menschen müssen und wollen diesen Bildern etwas entgegensetzen. Sie wollen nicht mehr länger die Entfremdung ihrer Körper und die Zerstörung ihrer Wahrnehmung betreiben. Durch die Akzeptanz der Unvollkommenheit verschwimmen vielleicht die Konturen dieser Bilder und werden dadurch menschlicher und lustvoller.
Leseproben:
Umwege zur Lust oder Herr Groll schreibt einen Brief
Lieber Marco!
Wundere Dich nicht über diesen Brief. Lies ihn aufmerksam, aber wirf ihn nicht weg. Es könnte sein, dass Du in kommenden Jahren die eine oder andere Passage nachlesen willst. Bevor ich zur Sache komme, lass mich ein paar Worte über Deinen Vater sagen …
Bettys erstes Mal
Betty ist 73 und Jungfrau. Noch nie hat ein Mann ihren nackten Körper gestreichelt. Betty ist fast blind und lernbehindert. Noch nie hat sie gespürt, wie das kribbelt im Bauch. „Ick hab Mut“, sagt Betty und nickt, „ick hab Mut“. Es ist Freitagabend im Trebeler Gästehaus. An einem langen Tisch sitzen behinderte Menschen und ihre Betreuerinnen und Betreuer. Kerzen brennen, Kastanien liegen neben bunten Blättern auf der Tischplatte. Einige löffeln Kürbissuppe, andere stehen Schlange am Büfett. „Vorher müssen wir beten“, sagt ein behinderter Mann mit Bart und faltet die Hände. „Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast. Amen.“
„Fachstelle .hautnah.“ – Ein besonderer Raum für besondere Menschen
18 Libida-Sexualbegleiterinnen und -Sexualbegleiter wurden österreichweit in bisher drei Lehrgängen in der „Fachstelle .hautnah.“ im steirischen Kalsdorf ausgebildet. Die Libida-Sexualbegleitung® ist mittlerweile eine geschützte Marke. Weil diese Arbeit hoch sensibel ist, wird Qualität großgeschrieben – wissenschaftliche Evaluierungen, laufende Fortbildungen, Beratung, Fachberatung und sexualpädagogische Materialien zeugen davon. Ein besonderes Angebot sind die „.Libida. Abende“.
Auf Skiern zurück ins Leben – Barrierefreies Hochalpinerlebnis in der Schweiz
„Es war wie eine Befreiung“, sagt Doris Peyer über ihr erstes Wintersporterlebnis in der Aletsch Arena im Schweizer Kanton Wallis. Nach vielen Jahren im Rollstuhl hätte sie es nicht für möglich gehalten, jemals wieder Ski zu fahren. Die UNESCO-Region am Aletschgletscher hat für ihre Bemühungen um ein barrierefreies Hochalpinerlebnis den Innovationspreis der Deutschen Stiftung für Querschnittlähmung erhalten.
Inhalt:
Artikel | |
---|---|
Umwege zur Lust
|
|
Sexualität & Behinderung
|
|
Psychosexuelle Entwicklungsmomente, Bedürfnisse und Unterstützung von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung
|
|
Psychosexuelle Entwicklungsmomente, Bedürfnisse und Unterstützung von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung
|
|
Sexualität als Thema einer Elternarbeit im Erwachsenenalter!?
|
|
Bettys erstes Mal
|
|
„Fachstelle .hautnah.“
|
|
„…und schon war ich verliebt…“
|
|
Es gibt keine role models!
|
|
Noch Lust auf Sex?
|
|
Therapieterror
|
|
Abgefahren in Myanmar
|
|
Kein Führerschein für Mann mit Muskeldystrophie?
|
|
Mobil per Auto
|
|
Ade Adepitan: Ein Mann, der Mut macht!
|
|
Friede, Freude, Eierkuchen
|
|
Auf Skiern zurück ins Leben
|
|
Die Stromschnellen des Tiber
|
|
„Alle haben das Recht auf Liebeskummer“
|