Thema der Ausgabe 5/2024:

Alltag - Die Feinheiten der Gegenwart

„Jeder, der sich die Fähigkeit erhält,Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.“(Franz Kafka)

 

Intro:

Josef Fragner, Chefredakteur

Alltag - Die Feinheiten der Gegenwart

Im Dienste einer Sache oder in der Liebe zu einer Person
erfüllt der Mensch sich selbst.
Je mehr er aufgeht in seiner Aufgabe,
je mehr er hingegeben ist an seinen Partner,
umso mehr ist er Mensch, umso mehr wird er selbst.

Viktor Frankl

Dieses Heft ist Dieter Fischer zu seinem 85. Geburtstag gewidmet. Er selbst beschreibt eindrucksvoll seine vielseitigen Lebenslinien in dieser Ausgabe. Immer war er an der Seite derjenigen, die nicht gehört wurden, und gab ihnen eine Stimme. Nie hat er sich an die großen Wörter angebiedert, sondern nach dem gelebten wie lebbaren Leben in der direkten Begegnung von Mensch zu Mensch gesucht. Unzählige Beispiele könnten hier angeführt werden, wie sein Wirken auch hierzulande jenen Menschen geholfen hat, die zuvor unsichtbar unter menschenunwürdigen Bedingungen leben mussten und auf zynische Art und Weise „schulbefreit“ waren. Mit seinem Auto, vollgepackt mit selbst entworfenem didaktischem Material, kam er den über 400 km weiten Weg nach Linz, um eine ganze Generation von Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen für die Arbeit mit schwer behinderten Menschen auszubilden. Diese kamen in ihrer Freizeit, meist an Wochenenden, hingen an seinen Lippen, denn solch einen Pädagogen hatten sie bisher nicht erlebt.

Sein immenses Wissen und seine schier endlosen Erfahrungen hat Dieter Fischer glücklicherweise immer wieder in zahlreichen Aufsätzen und Büchern niedergeschrieben. Unserer Zeitschrift ist er von Anfang an verbunden. Dieter Fischer will kein System aufstellen, aber sein Werk ist durchdrungen von gedanklichen, oft philosophischen Reflexionen, die an die Alteritätskonzepte in der französischen Philosophie denken lassen.
Dieter Fischer weiß, dass viele Sätze, seien sie philosophisch und pädagogisch noch so fundiert, oft an die Grenze des Sagbaren stoßen. Deshalb verwendet er immer wieder Gedichte und Bilder, die er in seine Texte einstreut, die den Inhalt noch echter und inwendiger machen. Für ihn ist Schönheit kein Luxus, sondern Beseelung des Menschen, Kunst ein notwendiges Nahrungsmittel, Kreativität eine Lebenshaltung und Neues zu schaffen ein Schöpfungsauftrag an alle Menschen.
Niemand beleuchtet so sehr wie Fischer die Innenseite heilpädagogischen Handelns oder setzt sich mit Grundsituationen des pädagogischen Handelns auseinander, die in jeder konkreten Arbeit von Bedeutung sind: das Anfangen und das Beenden, das Warten und das Sich-Langweilen, das Verstehen und das Deuten, das Trösten, Begleiten und Sterben, das Lernen und das (Sich-)Bilden, das Haben und das Genießen, das Schützen und die Gewalt, das Nichtstun und die Arbeit, das Gestalten und die Kunst, das Hoffen und der Sinn, das Schlafen und der Traum, das Miteinander und das Selbstsein, das Scheitern, das Lachen und der Humor.

Freuen Sie sich über die Beiträge von Dieter Fischer über den Alltag nicht nur als Herausforderung der Pädagogik und über die Innensicht von verschiedenen Alltagen. Tina Molnár schreibt über den Alltag von älteren behinderten Menschen, Annika Lang über die Freuden des Alltags in spezialisierten Wohnangeboten, Thomas Müller zum Alltag von verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen, und Nils Altner stellt Überlegungen an, ob die Würde des Menschen tastbar ist?

Umrahmt werden diese Beiträge durch Kunstwerke aus der Ausstellung „The Beauty of Diversity“ in der Albertina Modern, einem Auszug aus „Krüppelpassion – oder vom Gehen“ von Jan Kuhlbrodt, durch gelingende Beispiele beruflicher Teilhabe von Franz Wolfmayr, durch Studienergebnisse über den Alltag von Jugendlichen mit Behinderung von Shih-cheng Lien und Johann Hartl und vieles mehr.

Wie mit den Lebenszeiten,
so ist es mit den Tagen.
Keiner ist uns genug,
keiner ist ganz schön,
und jeder hat, wo nicht seine Plage,
doch seine Unvollkommenheit,
aber rechne sie zusammen,
so kommt eine Summe
Freude und Leben heraus.

Friedrich Hölderlin

Wenn Glück eine Form der Übereinstimmung ist – eine Übereinstimmung seines Tuns mit dem eigenen Denken und Empfinden –, dann hat Dieter Fischer viele glückliche Momente in seinem Leben geschaffen und mit vielen Menschen geteilt. Dafür sind wir ihm dankbar.

Josef Fragner, Chefredakteur

 

Inhalt:

Artikel
Tanzen, Tiere und ein tolles Team
Frieden durch Inklusion?
Wege entstehen durch Gehen
Krüppeltext oder Vom Gehen
Die andere Seite - Über Empathie und ihre Spuren (Teil 4)
Väter
Der ALLTAG - als Herausforderung nicht nur für die Pädagogik
Alltage - Versuch einer Innensicht
"Gibt es da was, was Sie sehr gerne tun den Tag über?" - "Also, wenn wir Freistunden haben?"
Freuden des Alltags
Das Gelingendere im Blick
Ist die Würde der Menschen tastbar?
Von Irland bis Spanien: So gelingt berufliche Teilhabe
Der mühsame Weg zur inklusiven Stadt
ORF startet inklusive Casting-Initiative "Mach dich sichtbar"
Pionier von Selbstbestimmt Leben verstorben
Kulturelle Teilhabe ist ein Menschenrecht
Chancengleichheit durch gemeinsame Schulbildung
Ferdinand Klein - Ein unermüdlicher Heilpädagoge
Warum kommt die Peer-Beratung in der Steiermark nicht voran?
Wie Jugendliche mit Behinderungen ihren Alltag erleben
Wohnen mit Assistenz oder Persönlicher Assistenz
Eigennutz und Dankbarkeit
Neue Taststation im DomQuartier Salzburg ermöglicht barockes Kunsterlebnis
Barrierefreies Museumserlebnis in Wien
"Neues fliegt in der Luft"
Museen zeigen sich inklusiv
Podcast: Inklusion gehört gelebt