Verlieren DIN-Normen zum barrierefreien Bauen zukünftig an Bedeutung?!
Bevor ich meine Sicht auf den Punkt 4.3.3.1 in den aktuell neuen Normenentwürfen der DIN 18040-1 und -2 darlege, möchte ich zum einen eine grundlegend wichtige Definition von Nullschwellen und eine Unterscheidung zu technisch überholten Türanschlägen benennen. Nullschwellen sind Außentür-Dichtungen, die mit beweglichen Dichtungen und ausreichenden Dichteklassifizierungen sowie Langzeitbewährungen in der Praxis technisch überholte, unflexible und gefährliche Türanschlagdichtungen und -schwellen umfassend technisch ersetzen. Max. 4 mm Höhenunterschiede, z.B. für Materialübergänge, die zusätzlich abgerundet und abgeschrägt sind, können noch vorhanden sein. Zum anderen ist es mir ein Anliegen vorab zu verdeutlichen, weshalb ich mich nun schon so lange als Frau Nullschwelle® konsequent bis ins letzte Detail für Nullschwellen an Außentüren einsetze. Ich wünsche mir eine menschliche und gesunde Architektur, die gleichzeitig mit einer nachhaltig qualitätvollen Gestaltung und langlebigen, ressourceneffizienten Materialien auf das Wohl der Menschen und unserer Umwelt achtet. Als Dipl.-Ing. in Architektur und interdisziplinäre Bausachverständige kenne ich die vorhandenen Möglichkeiten. Als Heilerziehungspflegerin, die bereits als junger Mensch in der Alten-, Behinderten- und Kinder- und Jugendhilfe tätig war, habe ich erlebt, was selbst kleine Türschwellen für lebens- und gesundheitsgefährdende Wirkungen auf Menschen haben können. Mit meinem Sachverstand aus Pflege und Heilpädagogik kenne ich u.a. Beispiele von Menschen, die aufgrund von kleinen technisch längst überholten Türschwellen, z.B. mit ihrem gesamten Rollstuhl gestürzt sind. Im Sachgebiet der Pflege ist längst bekannt, welche katastrophalen Folgen Stürze nach sich ziehen können. Vor rund 17 Jahren ist mir zum ersten Mal die damals einzig echte Nullschwelle mit Schlagregendichtheit begegnet. Werner Stede (†), einer der Gründer des Bielefelder Modells, einer inklusiven, interdisziplinären und innovativen Wohnkonzeption, hat mich zu diesem Zeitpunkt ganz begeistert auf die Magnet-Nullschwelle aufmerksam gemacht. Ich habe bei der ersten Begegnung mit der Magnet-Nullschwelle sofort erkannt, wie bedeutend diese für die Umsetzung von Inklusion, Sturzprävention und hochwertigem Design in der Architektur ist. Mit diesem Bewusstsein begann ich im Jahr 2005, die technische Machbarkeit dieser Lösung mit meinem multiprofessionellen Sachverstand zu überprüfen. Zu diesem Zeitpunkt war die Nullschwellen-Abdichtungstechnik schon 9 Jahre auf dem Markt. Trotzdem haben damals viele ohne Beleg einfach behauptet, dass diese nicht funktionieren würde. Doch gerade, weil die Wirkung dieser Nullschwelle ohne Türanschlag so bedeutend für die politisch formulierten Ziele unserer Gesellschaft ist, verspürte ich aufgrund meiner interdisziplinären Qualifikationen eine Verantwortung, die offenen Nullschwellen-Fragen umfassend zu erforschen. Die weit verbreiteten ungeprüften Behauptungen haben die Zugänglichkeit dieser barrierefreien Technik für viele Menschen mit Behinderung verhindert, wie sich herausstellte grundlos. Meine zahlreichen interdisziplinären Untersuchungen hingegen belegten und belegen bis heute, dass die Magnet-Nullschwelle bei fachgerechtem Einbau nachhaltig systemsicher abdichtet. 20 Jahre nach der weltweit ersten schlagregendichten Magnet-Nullschwelle wurde im Jahr 2016 die Technik der Nullschwellen mit Absenkdichtungen für Haustüren und für Terrassen- und Balkontüren erstmals offiziell auf dem Markt angeboten. Weshalb statten wir nicht endlich nach 27 Jahren einfach alle Außentüren mit Nullschwellen aus? Allein ergonomisch betrachtet sind sie für alle Füße und alle Räder besser.
Doch stattdessen scheint der Arbeitsausschuss der DIN 18040, der für die aktuellen neuen Entwürfe der DIN 18040 -1 und -2 verantwortlich ist, 27 Jahre technische Nullschwellen-Geschichte versäumt zu haben. Statt der Formulierung, dass Türanschlagdichtungen und Schwellen nicht zulässig sind, heißt es lediglich „nach Möglichkeit sollten stets Türöffnungen mit niveaugleichen Übergängen ausgeführt werden“. Wieso nach Möglichkeit? Es gibt schon seit 1996 niveaugleiche Nullschwellen, die laut meinen Untersuchungen alle Menschen mit allen „Behinderungsarten“ überwinden können. Trotzdem behauptet der Arbeitsausschuss als Verantwortlicher für die neuen Normenentwürfe weiter: „Können Türanschläge und erhabene Schwellen nicht vermieden werden, darf die Schwellenhöhe nicht höher als 1 cm sein.“ Nochmal - Türanschläge und erhabene Schwellen können schon seit 1996 vermieden werden. Doch der Normenausschuss formuliert im Jahr 2023 genau diese technisch überholten Ausführungen und fordert, als Abschwächung eine „Überrollbarkeit“: „Türanschläge und erhabene Schwellen müssen so ausgeführt werden, dass sie leicht überrollbar sind und die Stolpergefahr vermieden wird.“ Weshalb Türanschläge und erhabene Schwellen, wenn diese technisch überholt sind und für zahlreiche Menschen mit Behinderung eine Barriere und eine Stolper- und Sturzgefahr und folglich eine massive Gesundheits- und Lebensgefahr darstellen? Außerdem behauptet der Arbeitsausschuss, dass die Stolpergefahr vermieden werden würde, wenn 1 cm hohe Türanschläge und erhabene Schwellen z. B. abgeschrägt oder abgerundet ausgebildet werden. Diese Behauptung wird allein schon durch eine Richtlinie im Arbeitsschutz, die bereits in einer der früheren Ausgaben des Leitfadens „Barrierefreies Bauen“ auf Bundesebene im Kontext der Türschwellen-Problematik explizit aufgeführt wurde und deshalb dem Arbeitsausschuss der DIN 18040-1 und -2 längst bekannt sein müsste, widerlegt: „Unter ebenen Bedingungen in Räumen gelten bereits Höhenunterschiede von mehr als 4 mm als Stolperstelle.“ (ASR A1.5) Auch im Sachgebiet der Pflege, in dem der Sturzprävention höchste Bedeutung beigemessen wird, ist längst bekannt, dass 1-cm-Erhöhungen im Boden eine Stolper- und Sturzgefahr darstellen. Anrampungen und Anschrägungen können diese nicht verhindern (z.B. bei Behinderungen mit Fußheberschwächen!).
Es war einmal der Türanschlag!
Allein die von Arbeitsausschuss vorgeschlagene technisch überholte Lösung des Türanschlags wirft Fragen auf. Es war einmal vor langer Zeit, in der noch Türanschläge technisch gebraucht wurden. Nur Türanschläge konnten den Luftspalt zwischen Türflügel und Fußboden, der im offenen Türzustand für die Beweglichkeit des Türflügels gefragt ist, aber im geschlossenen Türzustand eine Abdichtung fordert, abdichten. Bereits 1996 haben die beweglichen Magnetdichtungen der Magnet-Nullschwelle Türanschläge technisch überholt. Diese beweglichen Magnet-Dichtungen dichten im geschlossenen Türzustand den unteren Luftspalt zwischen Türflügel und Fußboden ab und fallen im offenen Türzustand absolut niveaugleich, mit 0 cm Höhe (siehe die bis heute geltende Nullschwellen-Stellungnahme vom DIN), ins Bodenprofil zurück. Sogar langzeitbewährte Einbauten mit dieser Nullschwellen-Technik zeigen selbst nach mittlerweile rund 27 Jahren immer noch nachhaltige Systemsicherheit. Diese am längsten auf dem Markt vorhandene Nullschwelle war von Beginn an mit allen gängigen Tür- und Fensterprofilen kompatibel und hat alle notwendigen technischen Leistungseigenschaften erreicht, sogar die Passivhauszertifizierung. Nullschwellen ersetzen mit beweglichen Dichtungen und allen erforderlichen Dichteklassifizierungen sowie Langzeiterprobungen in der Praxis technisch überholte Türanschlagdichtungen. Lediglich Erhöhungen oder Vertiefungen von max. 4 mm für z.B. Materialübergänge, die zusätzlich abgerundet und abgeschrägt sind, können noch notwendig sein. Derartig gering ausgebildete Erhöhungen haben bei einer interdisziplinär notwendigen Betrachtung auch aus den Sachgebieten Heilpädagogik und Pflege eine komplett andere Wirkung als 1 cm hohe technisch überholte Türanschläge! Es war einmal der Türanschlag und erhabene Türschwellen von 1 cm!
Es war einmal ein Ausnahmefall
Die aktuellen Entwürfe beschreiben schon wieder einen unklar benannten Ausnahmefall. Bereits bei den aktuell geltenden Teilen der DIN 18040 aus den Jahren 2010 und 2011 wurde die bedeutende Nullschwellen-Stellungnahme vom zuständigen Arbeitsausschuss benötigt, um Klarheit zu schaffen, dass Nullschwellen den Regelfall nach DIN 18040-1 und -2 darstellen. Doch nun beschreiben die neuen Entwürfe schon wieder einen unklar definierten Ausnahmefall: „Können Türanschläge und erhabene Schwellen nicht vermieden werden, darf die Schwellenhöhe nicht höher als 1 cm sein.“ Welcher Ausnahmefall könnte denn hier gemeint sein?
Eine sehr spannende Frage! Mindestens ein Mitglied des Arbeitsausschusses der DIN 18040 wusste bereits im Jahr 2009, dass es keine Ausnahmefälle mehr für Türanschläge und -schwellen an Eingangstüren und an Terrassen- und Balkontüren gibt. Alle damaligen Mitglieder des Arbeitsausschusses der DIN 18040 sind im Kommentar des Beuth Verlags zur DIN 18040-1 aufgeführt. Einer von diesen Arbeitsausschuss-Mitgliedern war Prof. Lothar Marx. In einem von ihm verfassten Fachartikel aus der DBZ in der Ausgabe 7 aus dem Jahr 2009, also schon vor der Veröffentlichung der DIN 18040 Teil 1 und 2 in den Jahren 2010 und 2011, ist bereits zu lesen, dass barrierefreie Nullschwellen ohne Türanschlag an Hauseingängen und an Übergängen zu Freisitzen technisch sicher realisiert werden können. Diese bedeutende Information müsste dem Arbeitsausschuss der DIN 18040 folglich längst bekannt sein. Marx konnte zu diesem Zeitpunkt nur noch Türen zu einem Maschinenraum als technisch unabdingbaren Sonderfall aufführen. Aus dem Blickwinkel all der betreffenden Sachgebiete drängen sich hier nun folgende Fragen auf: Weshalb wurde in den aktuell noch geltenden DIN-Normen (DIN 18040-1 und -2) aus den Jahren 2010 und 2011 überhaupt noch der folgende Satz aufgenommen, „Sind sie technisch unabdingbar, dürfen sie nicht höher als 2 cm sein.“, der die Nullschwellen-Stellungnahme vom DIN im nachhinein erforderte. Nur deshalb, weil Lothar Marx an Türen zu Maschinenräumen noch Türschwellen für notwendig erachtete? Die Zugänglichkeit von Maschinenräumen haben jedoch für die Lebenswelt von Menschen mit Behinderung kaum eine Bedeutung, die Zugänglichkeit von Gebäuden, Wohnungen und Freisitzen (Terrassen und Balkone) hingegen schon! Wer möchte für eine Terrasse oder einen Balkon bezahlen, der nicht nutzbar ist?! Der bisherige Ausnahmesatz („Sind sie technisch unabdingbar, dürfen sie nicht höher als 2 cm sein.“) wurde jedoch bis zur alles verändernden Nullschwellen-Stellungnahme erfahrungsgemäß als Rechtfertigung genommen, um an Haus- und Wohnungseingängen sowie an Terrassen- und Balkonzugängen unzulässige 1 – 2 cm hohe Türanschläge und -schwellen zu verbauen. Warum lassen wir derartig fragwürdige und haftungsgefährdende Ausnahmefälle nicht endlich einfach weg! Ich wage zu bezweifeln, ob innerhalb des barrierefreien Bauens Türen zu Maschinenräumen jemals ein Thema waren.
Die DIN EN 17210 - eine weitere Ausrede?!
Aufgrund meiner Verwunderung über die aktuell identischen Türschwellen-Entwürfe zum Punkt 4.3.3.1 des Arbeitsausschusses der DIN 18040-1 und -2, sind erste Begründungen dafür bei mir angekommen. Es dürfte kein Widerspruch zur DIN EN 17210 (neue europäische Norm für barrierefreies Bauen) vorhanden sein. Deshalb seien Änderungen in den aktuellen Entwürfen der DIN 18040-1 und -2 entstanden. Diese Begründung ist auch in den jeweiligen Vorworten der neuen Normen-Entwürfe zu finden: Die Widerspruchsfreiheit zwischen der europäischen Norm (DIN EN 17210) hätte geprüft und die nationalen Normenreihe in Teilbereichen angepasst werden müssen.
Prüfende Blicke in die DIN EN 17210 führen zu spannenden Erkenntnissen, die alle für niveaugleiche Übergänge und konsequente Nullschwellen an Außentüren sprechen.
Bei Duschen fordert die DIN EN 17210 einen niveaugleichen Zugang zum Duschbereich ohne Schwellen (Punkt 12.4.3). Die aktuellen Entwürfe der DIN 18040-1 und -2 erlauben jedoch eine bis zu 2 cm hohe Schwellenabsenkung: Der Duschplatz müsse zwar mittels einem niveaugleichen Übergang zugänglich sein, jedoch folgt gleich wieder eine Ausnahme: „Ein Absenken in den Boden von maximal 2 cm ist zulässig, wenn die entstehenden Übergänge abgeschrägt sind. Diese Ausführung ist in der DIN EN 17210 nicht zu finden! Laut den Vorworten der Entwürfe liege der Fokus der beiden Normenentwürfe weiterhin darauf, dass bauliche Anlagen selbstständig und grundsätzlich ohne fremde personelle Hilfe für Menschen mit Behinderung nutzbar sind. Eine 2 cm Schwelle, egal ob abgeschrägt oder nicht, ist für viele Menschen mit Behinderung nicht selbstständig nutzbar, stellt zusätzlich eine immense Sturzgefahr dar und steht im Widerspruch zur DIN EN 17210. Weshalb wurde allein dieser klar erkennbare Widerspruch zur DIN EN 17210 bei der Überarbeitung nicht berücksichtigt?
Bei Türschwellen kann eine nachvollziehbare Begründung für die erstaunliche Verschlechterung in den entsprechenden Entwürfen der DIN 18040 aufgrund der DIN EN 17210 nicht gefunden werden:
Die DIN EN 17210 richtet sich an bestehende und gleichzeitig an neu zu bauende Gebäude und Wohnungen. (Punkt 1 Anwendungsbereich, DIN EN 17210) Dieser Anwendungsbereich ist mit der DIN 18040-1 und -2 nicht vergleichbar. Laut der Anwendungsbereiche der DIN 18040-1 und -2 waren diese schon immer, nur und ausschließlich, für Neubauten anzuwenden! Für Umbauten und Modernisierungen im Bestand seien die Dokumente lediglich sinngemäß anwendbar. Das stellt einen eklatanten Unterschied zur DIN EN 17210 dar!!! Nullschwellen können im Neubau an allen Haus- und Wohnungseingangstüren und an allen Terrassen- und Balkontüren technisch sicher umgesetzt werden. Im Bestand hingegen sind leider die letzten Jahrzehnte technisch grundlos sehr viele unzulässige (siehe wichtige Nullschwellen-Stellungnahme!!!!!!) Türanschläge gebaut worden, die z.B. Höhenunterschiede zwischen innen und außen aufweisen. Wenn der Boden außen höher ist als innen, können derartige barrierefreie Mängel nur ganz schwer korrigiert werden. Hier haben die viel zu unklaren Formulierungen der DIN 18040 -1 und -2 mit den Ausgaben aus den Jahren 2010 und 2011 bis zur Nullschwellen-Stellungnahme leider zu zahlreichen unzulässigen und kostenintensiven barrierefreien Mängeln geführt. Die DIN EN 17210 bietet jedoch mit ihrem breiteren Anwendungsbereich für Neubau und Bestand keine Rechtfertigung für die aktuell vorgesehene Verschlechterung in den Entwürfen unter Punkt 4.3.3.1 für Türschwellen.
Selbst die DIN EN 17210 fordert eine technische Notwendigkeit (die aufgrund der schon seit rund 27 Jahren vorhandenen Nullschwellen-Technik nur den Altbau betreffen kann) für eine „höher liegende Schwelle“. Erst müssen laut DIN EN 17210 alle anderen technischen Lösungen auf Erfordernis dieser Erhöhungen geprüft werden! Doch dieser Überprüfung kann im Neubau kein Türanschlag und keine erhabene Schwelle standhalten. Und selbst im Bestand gibt es zahlreiche Beispiele, die zeigen, dass insbesondere bei gleichen Fußbodenhöhen innen und außen Nullschwellen auch möglich sein können.
Unter dem Punkt „Europäischer rechtlicher Rahmen“ (4.1) verweist die DIN EN 17210 auf das international „gültige und rechtsverbindliche“ UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (kurz UN-Behindertenrechtskonvention, UN-BRK). Dank der UN-BRK sollen Menschen mit Behinderung ihre Rechte wahrnehmen und uneingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Das geht nur mit Nullschwellen. Doch dem für die DIN EN 17210 zuständigen Ausschuss fehlen laut der unter 4.1 zusammengefassten Formulierungen bedeutende Kenntnisse zum Thema UN-BRK und Inklusion. Der verantwortliche Arbeitsausschuss verwendet im Kontext des europäischen rechtlichen Rahmens u.a. den Begriff „Barrierefreiheit“, ein Begriff der in der gesamten UN-Behindertenrechtskonvention nicht vorkommt. Die UN-BRK fordert eine Zugänglichkeit und ein universelles Design mit dem grundlegenden Ziel der Inklusion und der Fokussierung auf die Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen, die einen wertvollen Beitrag „zum allgemeinen Wohl“ und zu „erheblichen Fortschritten in der menschlichen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft“ beitragen können. Dieser ganz grundlegende Paradigmenwechsel, der in der gesamten Behindertenhilfe längst angekommen ist, ist laut den Formulierungen unter 4.1 beim zuständigen Ausschuss der DIN EN 17210 noch nicht angekommen. Bei der klassischen Barrierefreiheit wird der Fokus auf die Defizite von Menschen gelegt, die als „Randgruppen“ in die Nutzung von Architektur integriert werden sollen. Das ist der Stand der Integration. Bei den Zielen der UN-BRK mit ihrer Zugänglichkeit und dem geforderten Universal Design geht es um eine Fokussierung auf die Fähigkeiten von Menschen mit Behinderung und um eine Nutzbarkeit und eine Verbesserung für alle Menschen. Menschen mit Behinderungen können bei einer interdisziplinären Übersetzung dieser Ziele einen wertvollen Beitrag dazu leisten – einschließlich derjenigen mit einem intensiveren Unterstützungsbedarf. Das ist der Stand der Inklusion. Nullschwellen stellen ein deutliches Beispiel für eine neue universell designte und inklusive Architektur nach der UN-BRK dar. Sie erfüllen die Bedarfe auch von Menschen mit einem intensiveren Unterstützungsbedarf und führen gleichzeitig zu einer tatsächlich besseren, ergonomischen und sturzpräventiven Nutzbarkeit für alle Menschen. Nullschwellen verbessern die Designqualität von allen Raumübergängen und können mit langlebigen Materialien die Nachhaltigkeit ganzer Bauwerke optimieren. Nachträgliche kosten- und materialaufwendige Anpassungen sind nicht notwendig. Elegante und zugleich inklusive Nullschwellen-Ausführungen führen zu erheblichen Fortschritten in der menschlichen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft. Dieser europäisch rechtliche Rahmen der UN-BRK fehlt bei den Beschreibungen des zuständigen Ausschusses der DIN EN 17210 unter 4.1.
Weiterhin versäumt der Ausschuss der DIN EN 17210 unter dem Punkt 4.1 „Europäisch rechtlicher Rahmen“ die tatsächlichen Forderungen der UN-BRK in Bereich von Normen und Richtlinien zu benennen. Der Begriffe „Normen und Richtlinien“, zu welchen die DIN EN 17210 eindeutig gehört, werden in der UN-BRK ausschließlich im Kontext des universellen Designs genannt. Die UN-BRK fordert die Anpassung von Normen und Richtlinien im Sinne des Universal Designs. Das Universal Design hat wesentlich anspruchsvollere Ziele als die bisherige normative Barrierefreiheit. Laut dem 4.1 der DIN EN 17210 scheint der zuständige Ausschuss auch davon noch keine Kenntnis genommen zu haben. Trotzdem bleiben die rechtsverbindlichen Forderungen der UN-BRK bestehen. Diese steht über dem Ausschuss der DIN EN 17210. Nullschwellen erfüllen die Forderungen der UN-BRK nach Zugänglichkeit und Universal Design vollumfänglich, 1 cm hohe Türanschläge und Schwellen (insbesondere im Neubau!!!) nicht!!!!
Zur DIN EN 17210 kann abschließend nur festgestellt werden, dass diese Norm keinen Grund für die aktuell geplante Verschlechterung im Bereich der Übergänge zwischen innen und außen in den Entwürfen zu einer neuen DIN 18040-1 und -2 sein kann.
Es gibt noch zahlreiche weitere rechtliche Forderungen, aufgrund derer der aktuelle Arbeitsausschuss der DIN 18040 dringend von den betreffenden Formulierungen unter dem Punkt 4.3.3.1 absehen sollte. Der klar bereits in den Vorworten als Ziel formulierte § 4 aus dem Behindertengleichstellunggesetz kann so mit den aktuellen Entwürfen nicht umgesetzt werden. Auch empfehle ich dringend prüfende Blicke in die DIN 820-1, welche dem Vertrag zwischen dem Deutschen Institut für Normung e.V. und der Deutschen Bundesrepublik Deutschland zugrunde gelegt wurde, zu vollziehen. Allein die Bundesländer müssen sich, wenn die Entwürfe der DIN 18040-1 und -2 tatsächlich so (technisch grundlos verschlechternd) veröffentlicht werden, entscheiden, ob sie die UN-BRK und den § 4 im Behindertengleichstellungsgesetz umsetzen, oder weiterhin technisch überholte DIN-Normen in die Verwaltungsvorschriften der technischen Baubestimmungen einführen wollen. Laut Bundesgerichtshof stellen DIN-Normen keine “Rechtsnormen“, sondern lediglich “private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter” dar, die überholt sein können (VII ZR 45/06). Werden die Entwürfe der DIN 18040-1 und -2 tatsächlich so abschließend veröffentlicht, sind diese bereits bei Veröffentlichung überholt. Verlieren diese DIN-Normen dann ihre Bedeutung?!
Stellungnahme von Ulrike Jocham, Frau Nullschwelle®
Stuttgart, März 2023