Körperdialog
„Die Sprache des Körpers erspüren, um einen gemeinsamen Begegnungsraum zu öffnen.“Josef Fragner, Chefredakteur
Intro:
Körperdialog
Edu, pass auf, ich lege jetzt meine Hand auf Deinen Bauch, ganz leicht, ich drücke nicht, versprochen. Ich spür dann, wie Du atmest. Der Bauch geht hoch und runter, auf und ab. Meine Hand geht mit, ich hebe sie leicht an, Du musst sie nicht selbst hochdrücken.
Sie macht einfach mit, was Dein Bauch macht. Ich spüre was. Der Bauch wird ein bisschen weicher, er atmet mehr ein, er atmet mehr aus, meine Hand hebt sich mehr, senkt sich mehr. Du atmest tiefer. Das tut gut.
Andreas Fröhlich, der uns die körperliche Kommunikation ohne Worte gelehrt hat, schildert eindrucksvoll, wie eine Anwesenheit im Hier und Jetzt, in der größtmöglichen Nähe, einen gemeinsamen Begegnungsraum eröffnen kann. Wenn es gelingt, „nichts zu erwarten, dann wird auf einmal auch das kleinste Zeichen, die minimale Bewegung, ein Atemhauch, zu einem persönlichen Ereignis, das Bedeutung haben kann“. Andreas Fröhlich, dessen Schaffen in so vielen verschiedenen Bereichen neue Dimensionen erschlossen hat, stand auch für dieses Heft Pate.
Sophia Falkenstörfer geht von einem anschaulichen Beispiel aus, in dem ein junger Mann mit einem behinderten Körper versucht, in ein Körpergespräch zu kommen und dabei scheitert. Der Junge bekommt keine Antwort. Sosehr er sich auch bemüht, er wird nicht erblickt; nicht anerkannt. Er will sagen: „Habt keine Angst vor meinem behinderten Körper.“ Aber an diesem Nachmittag „wird ihm die Welt genommen“. Diese Szene dient ihr als Reflexionsvorlage für eine kritische Gegenwartsbeobachtung. Sie fragt zu Recht: „Wie wollen und sollen wir mit den Auswirkungen der Tendenz der Selbstoptimierung menschlicher Körper auf Menschen mit behinderten Körpern in Zukunft umgehen?“
Raquel Soriano Rico geht mit viel Gespür darauf ein, wie Berührung in eine körperliche Begleitung umzuwandeln ist. Dabei ist es wichtig, die Wechselbeziehung zwischen Berührung, Emotion und Kommunikation im Auge zu behalten. Wir formen, orientieren und informieren durch unsere „sprechenden Hände“. „Wenn die körperliche Begleitung nicht gemeinsam geschaffen wird, wenden wir lediglich eine Technik am Körper einer Person an.“
Was ist die richtige Nähe in der Begegnung mit schwerbehinderten Menschen, darüber reflektiert Concetta Pagano. Die richtige Nähe, sowohl physisch wie emotional, macht es möglich, „dem Menschen im Hier und Jetzt entgegenzukommen und ihn auf seinem Weg zu begleiten, nach seinem Rhythmus und seinen Fähigkeiten“.
Bislang gibt es kaum Erfahrungen bezüglich Palliative Care bei alten Menschen mit Behinderung, dieses Themas nimmt sich Stephan Kostrzewa an. Vertrauensstiftende Berührungen abseits von Routinehandlungen vermitteln Sicherheit und Geborgenheit. Einrichtungen der Behindertenhilfe sollten sich auch als Orte des Sterbens begreifen und ihre Teams entsprechend schulen, um die sterbenden Bewohner:innen nicht in der letzten Phase ihres Lebens ins Krankenhaus verlegen zu müssen.
Meike Engelhardt und Torsten Hamman untersuchen den Ausdruck und die Deutung von Emotionen bei Menschen mit schwerer Behinderung. Diese werden häufig sogar von nahen Bezugspersonen nur schwer verstanden. Oft bleibt nur ein Gefühl der Unsicherheit zurück, was sich negativ auf die Lebensqualität auswirkt.
Der Schmerz spielt bei dieser Personengruppe oft eine zentrale Rolle. Tina Obermayr versucht sich dem Schmerz anderer achtsam zu nähern und Zeiträume zu schaffen, in der die gemeinsame Hinwendung zu diesem möglich wird. „Beim bewussten Spüren, was wie schmerzt, scheint von Belang, dem ursprünglichen Gefühl des Ausgeliefertseins alternative Emotionen entgegenzustellen.“
Vor zwei Jahren haben wir über Friedrich Jaenicke und seinen Vater Florian berichtet. Wir haben nachgefragt, wie es ihm heute geht. Sein Vater hat uns wieder eindrucksvolle Fotos und berührende Sätze geschickt. Frühmorgens spielt er Friedrich sein Lieblingslied vor: „Er mag dieses Lied, weshalb ich hoffe, dass er lächelnd aufwacht, und manchmal klappt das sogar. Wenn es gelingt, ist der Tag mein Freund. … Das Planschbecken im Garten ist für uns im Moment der beste Ort und Friedrichs Mimik, erfüllt von völligem Glück und Entspannung, aufgelöst im Hier und Jetzt, der schönste Anblick der Welt. … Der Klang des Lachens ist so unbefangen und frei, wie man es nur selten hört.“ Aber in diese Glücksmomente mischen sich auch die Mühen des Alltags und die Sorgen, wie es weitergeht: „Wenn ich an das Gerangel mit dem Gesundheitssystem und der Bürokratie denke, komme ich mir vor wie Sisyphos. Es ist ein endloser Kampf ohne Aussicht auf Erlösung. Aber er kann ein Menschenherz ausfüllen, wie Camus schrieb“.
Inhalt:
Artikel | |
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Moments of meeting im Körperdialog
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Primäre Kommunikation
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"Stecken S' den Buben ins Heim ..."
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Kämpfen für das Recht auf Schule
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Die Innen- und Außensicht auf Behinderung
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Wie geht es Friedrich?
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Körpergespräche mit Menschen mit behinderten Körpern
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Berührung in eine körperliche Begleitung umwandeln
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Zur richtigen Nähe
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Sterbebegleitung
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Kommunikative Herausforderungen
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Zeit zum Verweilen
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Frei wie der Wind - Segeln für alle
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Neuer Start in der Seeloge
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Das schlechte Gewissen
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Auf Augenhöhe
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Kinderschicksale ... in der Volksschule
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Soziale Stigmatisierung - Das Eselein
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Freizeit inklusiv gestalten
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Preisgekrönter inklusiver Fußball in Sarajevo
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Weltwunder am Tagliamento
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Bildende Erfahrung durch leiblich strukturiertes Tun
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"Es gibt keine kleine Liebe"
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