Thema der Ausgabe 5/2022:

Die guten Leben

„Das gute Leben gibt es nicht, aber die vielen persönlich gestalteten guten Leben.“

Josef Fragner, Chefredakteur

 

Intro:

Josef Fragner, Chefredakteur

Die guten Leben

Vielen verheißungsvollen Bildern nach dem guten Leben laufen wir hinterher – am erhofften Ziel angekommen, entpuppt sich das gute Leben dann meist als Illusion. Die Einsicht ist oft bitter, das eine gute Leben existiert nicht, doch es gibt die vielen persönlich gestalteten guten Leben. Zum Beispiel das von Barbara Schmitz, die im vorderen Teil des Magazins schildert, wie ihre negativen Bilder von Behinderung durch ihre Tochter Carlotta auf den Kopf gestellt wurden.
Die Frage nach der Lebensqualität entspricht der zeitlosen moralischen Frage, was wir als Menschen einander überhaupt schulden, so Ina Scholz in ihrem Essay. „Eine Disziplin, der es um ein gutes Leben für jene geht, die immer häufiger an dem neoliberalen Anforderungsprofil scheitern und in der Folge von Exklusion bedroht sind, muss sich sowohl mit den objektiven als auch den subjektiven Dimensionen des Konzepts Lebensqualität auseinandersetzen.“
Welch unermessliches Leid Kindern von „Agenten des Heils“ unter dem Deckmantel schöner Worte zugefügt wurde, darüber kann die Schriftstellerin Anna Baar nicht mehr schweigen. Immer sind es die Kinder, die Sprachlosen, „die sich zu Tode fürchten, da ihre Worte nicht gelten“. Sie fordert uns auf, „den Kindern Geschichten zu geben, aus denen sie Lehren ziehen und sich aufrichten können, Geschichten, die sie ermutigen, das Leben anders zu denken, Geschichten, die sie warnen, auch vor den Wurstkomplizen, die immer noch unter uns sind“.
halten Momente der Sehnsucht nach Liebe und Zuneigung fest. Sie bewegen sich oft zwischen Wollen und Dürfen, zwischen Selbst- und Fremdbestimmung.

Die Beiträge im Thema-Teil kommen vorwiegend von Autor:innen des Instituts für Sozialpädagogik und Bildung der Hochschule Luzern. Frau Natalie Zambrino war bei der Zusammenstellung eine aufmerksame und hilfreiche Unterstützerin.
hält Lebensqualität als Zielperspektive nicht nur für die sonderpädagogische Forschung und Theoriebildung unabdingbar, denn „sie eignet sich auch ausgezeichnet als Werte- und Orientierungsrahmen für die praktische sonderpädagogische Arbeit“.
verankert wissenschaftliche Praxis im menschenrechtlichen Ansatz. Indem die subjektiven Erfahrungen von Menschen mit Beeinträchtigung zunehmend in den Fokus der Forschung rücken, werden die Barrieren und Hindernisse, die Menschen mit Beeinträchtigung an der vollen Teilhabe an der Gesellschaft hindern, sichtbar gemacht.
stellt das Projekt „Schwierige Entscheide – GEmeinsame Lösungen“ vor. Die fast zweijährige partizipative Forschungs- und Entwicklungsarbeit wird hinsichtlich der Stufen der Partizipation reflektiert.
beleuchten Teilhabeeinschränkungen von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen und herausfordernden Verhaltensweisen in ausgewählten Lebensbereichen und diskutieren Ermöglichungsbedingungen von Inklusion.
präsentieren Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „Arbeits- und Beschäftigungsrealitäten von Menschen mit schweren Beeinträchtigungen in Institutionen der Behindertenhilfe“. Wissenswerkstätten oder Zugang zu digitalen Medien werden nur selten angeboten, da bei den Institutionen häufig die Resultate im Vordergrund stehen. „Ein Beisitz sollte nicht weiter als Teilhabe definiert werden.“
Daniel Kunz möchte mit seinem Beitrag Einstellungen und Verhaltensweisen in Bezug auf Behinderung und Sexualität überprüfen und diesbezügliche Vorurteile abbauen.
Heiko Schuk forscht über Kriterien der Lebensqualität im Alter. Er zeigt Wege auf, wie der subjektiv empfundenen Lebensqualität und -zufriedenheit nachgegangen werden kann.
Viele behinderte Menschen verbringen ihren Alltag in Werkstätten. Es ist eine Welt, die kaum jemand kennt. In die man schnell hinein-, aber aus der man nicht so schnell wieder herauskommt, so Jan Rübel in seiner lesenswerten Reportage. Franz Wolfmayr zeigt im Gespräch mit Peter Rudlof konkrete Alternativen zum Modell Werkstatt auf. Er hat in der Steiermark vorgezeigt, wie es geht, und ist davon überzeugt: „Man muss nur wollen.“
Lassen Sie sich, liebe Leserin, lieber Leser, von den erstaunlichen Kunstwerken im Heft inspirieren, die unsere Art-Direktorin Eva-Maria Gugg so meisterhaft in Szene gesetzt hat.

 

Inhalt:

Artikel
Fremdbestimmung ade
Carlotta und die Bilder über das lebenswerte Leben
Dimensionen von Lebensqualität
Die Wahrheit ist eine Zumutung
Acht Monate Zahnschmerzen, muss das sein?
Dürfen was wir wollen
In nächster Nähe, so fern
Kunst und Lebensqualitä
„Man muss nur wollen“
"Ich versuch, mich irgendwie durchzuschlagen, schon mein Leben lang. "
Tod eines Freundes
Eigene Wohnung auch für Menschen mit schweren Behinderungen
Wasser hat nie Durst
Alles anders?
Nie alleine - die Persönliche Assistentin als Familienmitglied
Kinderschicksale in der Märchensammlung der Gebrüder Grimm
Was mein Leben schöner macht
Lebensqualität als Zielperspektive
Menschenrechte - Der Weg zu einer besseren Lebensqualität
"Wir haben mit dem Projekt einen anderen Blickwinkel auf unser Leben und die Arbeit bekommen"
Herausfordernde Verhaltensweisen: Ein Hindernis für die Entfaltung von Inklusion?
Arbeitsrealitäten von Menschen mit schweren Beeinträchtigungen
Der Befähigungsansatz als Schlüsselaspekt von Behinderung und Sexualität in der Behindertenhilfe
"So behindert bin ich auch nicht, dass ich das nicht alleine hinkrieg!"