Schwarze Samen mit Köpfchen und langen Fäden liegen wohlgeordnet nebeneinander.

Benjamin Abgottspon, o. T., 2018, Kohle auf Aquarellpapier, 29,7 × 42 cm aus dem Buch „Heraus mit den Sprachen“

Foto: © Benjamin Abgottspon
aus Heft 3/4/2022 – Fachthema
Mary Angeles Cremades Carceller

Den Körper aufbauen, den Körper bewohnen – über den Körper zur Person werden

Wann und wie wird unser Organismus zu einem Körper‭? ‬Wann wird dieser Körper,‭ ‬den andere sehen,‭ ‬zu meinem Körper‭? ‬Existiere ich,‭ ‬bevor ich meinen Körper als meinen eigenen empfinde‭? ‬Wie wird ein Mensch über seinen Körper zur Person‭?

Jedes Baby,‭ ‬das auf die Welt kommt,‭ ‬steht vor der Auf­gabe,‭ ‬sich als ein menschliches Wesen zu entwickeln.‭ ‬Der Mensch wird zwar mit einem Organismus geboren,‭ ‬seinen Körper aber muss er erst noch aufbauen und eine innere Repräsentation seiner selbst konstruieren.‭ ‬Die Entwicklung des Körpers geht mit der psychischen Entwicklung einher.‭ ‬Den Körper als meinen Körper zu erleben ist ein mentaler Prozess.‭ ‬Ich nenne dies das‭ „‬Bewohnen‭“‬ des eigenen Körpers.‭ ‬In meinen Überlegungen beziehe ich mich auf den theoretischen Rahmen der psychomotorischen Praxis von Bernard Aucouturier.
Aus unserer dualistischen und kartesianischen Tradition heraus denken wir,‭ ‬dass sich der Körper nach seinen eigenen Parametern entwickelt.‭ ‬Wir messen das Wachstum des Körpers in Zentimetern und Prozenten.‭ ‬Wir bewerten Entwicklung auf der Grundlage der erworbenen motorischen‮ ‬Fähigkeiten.‭ ‬Wir befassen uns mit Krankheiten und berücksichtigen meist nur die Entwicklung des biologischen Organismus.‭
Intelligenz,‭ ‬Aufmerksamkeit,‭ ‬Neugier,‭ ‬Respekt,‭ ‬die Fähigkeit zu warten,‭ ‬die Fähigkeit zu teilen oder zuzuhören,‭ ‬eine bestimmte Körperhaltung einzunehmen oder die Hände zu benutzen,‭ ‬um einen Bleistift zu halten‭ ‬– all das wirkt so,‭ ‬als hätte das Kind das‭ „‬schlagartig‭“‬ erworben.‭ ‬Es wirkt,‭ ‬als hätten diese Fähigkeiten und ihre Weiter­entwicklung nichts mit der Physiologie und der Erziehung zu tun,‭ ‬als ob Psyche‭ ‬und Soma getrennte Einheiten wären,‭ ‬die nur in Exzessen kindlichen Verhaltens,‭ ‬nur bei schwierigen Verhaltensweisen von Kindern mit­einander in Verbindung gebracht werden.‭ ‬Die Realität sieht anders aus.
Bei der Geburt ist sich das Kind seiner selbst nicht bewusst.‭ ‬Es ist sich weder bewusst,‭ ‬dass sein Körper sein eigener ist,‭ ‬noch,‭ ‬dass dieser Körper vom anderen getrennt ist.‭ ‬Es hat nur seine Physiologie zur Verfügung.‭ ‬Das Kind ist ein Organismus mit einem genetischen Gepäck,‭ ‬in das ein Potenzial eingeschrieben ist,‭ ‬das den Übergang von der Physiologie zum Denken ermöglicht.‭ ‬Hier gibt es beim menschlichen Wesen jedoch eine Besonderheit:‭ ‬Dieser‭ „‬Übergang‭“‬ kann nur‭ ‬durch die körperliche Erfahrung in Beziehung erfolgen,‭ ‬das heißt durch die Beziehung zwischen diesem Organismus und einem Körper,‭ ‬der bereits humanisiert und eine Einheit ist.
Die Momente,‭ ‬in denen Mutter und Kind eine gemeinsame lustvolle Einheit erleben,‭ ‬sind der Ursprung für die Bildung der leiblichen Einheit beim Kind.‭ ‬Aus dieser frühen nahen Verbindung entstehen‭ ‬die ersten unbewussten Repräsentationen,‭ ‬die die phantasmatische Bewegung hervorbringen,‭ ‬auf deren Grundlagen sich die Psyche aufbaut.‭ ‬Die Psyche‭ ‬ist nicht,‭ ‬sondern sie‭ ‬wird.‭ ‬Die Psyche beruht auf Empfindungen,‭ ‬die im Organismus aufgenommen und erfasst werden.‭ ‬Dieser Organismus wird bereits als Körper erkannt,‭ ‬weil wir ihm bereits eine Einheit und eine Identität geben‭ ‬– das Kind kennt diese aber noch nicht.
Die Art und Weise,‭ ‬wie das menschliche Wesen zur Person wird,‭ ‬ist nicht zu trennen vom Prozess der Repräsentation des Körpers. Die Körperlichkeit des menschlichen Wesens weist einige Besonderheiten auf, die in diesem Prozess von Bedeutung sind:

- Der Mensch hat eine nackte Haut

- Der Mensch lebt in einer aufrechten Position

- Der Mensch braucht seine oberen Gliedmaßen nicht für Gleichgewicht, sodass seine Hände frei sind

- Das menschliche Baby braucht einen anderen für sein Überleben

Wenn dem so ist,‭ ‬dann werden diese Eigenschaften wahrscheinlich auch damit zu tun haben,‭ ‬dass der Mensch zu einem denkenden Wesen wird,‭ ‬das der Sprache mächtig ist.‭ ‬Dieser Prozess wird anhand einiger einfacher,‭ ‬aber zum Nachdenken anregender Bezugspunkte veranschaulicht‭ ‬– und dies immer in Bezug auf die motorische Ausdrucksfähigkeit des Kindes.
Wenn es eine Sache gibt,‭ ‬die unbestreitbar ist,‭ ‬dann ist es die Liebe,‭ ‬mit der sich Eltern um ihr Baby kümmern.‭ ‬Die Hingabe,‭ ‬die das menschliche Baby für sein Überleben braucht,‭ ‬ist nur durch die Großzügigkeit und Zärtlichkeit zu verstehen,‭ ‬die das Baby bei seinen Eltern zu wecken vermag.‭ ‬Es entlockt ihnen intentional das Beste von sich selbst.‭ ‬Eine einzigartige und dauerhafte Bindung für das ganze Leben entsteht.‭ ‬Aber damit diese Liebe vom Baby empfangen,‭ ‬gefühlt und aufgenommen werden kann,‭ ‬muss sie‭ „‬inkarniert‭“‬ werden‭ ‬– sozusagen in Fleisch und Blut übergehen‭ ‬–‮ ‬über die Sinnes-‭ ‬und Wahrnehmungssysteme,‭ ‬die dem Baby in diesem Moment zur Verfügung stehen.‭
Kontakt,‭ ‬Berührung,‭ ‬Liebkosung,‭ ‬Fürsorge und Pflege,‭ ‬das Halten und Umhüllen‭ ‬– all das wirkt unmittelbar ein auf die Haut des Babys,‭ ‬seinen Tonus und die‭ ‬­verschiedenen Teile seines Körpers.‭ ‬Das Kind kann darüber all­mählich ein Gefühl körperlicher Einheit ver­innerlichen,‭ ‬das die Grundlage für das Selbstgefühl bildet.‭
„Das Ich‭“‬,‭ ‬sagt Freud,‭ ‬ist‭ „‬vor allem ein Körper-Ich,‭ ‬das‭ ‬aus den körperlichen Empfindungen hervorgeht,‭ ‬besonders denen,‭ ‬die von der Körperoberfläche kommen‭“‬ (Freud,‭ ‬GW XIII,‭ ‬255‭)‬,‭ ‬d. h.,‭ ‬das‭ „‬Ich‭“‬ wird so von den äußersten Elementen der Oberfläche hin zum Inneren geformt.‭ ‬Da man Freud immer Beachtung schenken sollte,‭ ‬werde ich mich zunächst der Haut und der Umhüllung widmen.‭

„‬Das Ich ist vor allem ein körperliches‭“‬ (Freud‭) ‬– Haut und Umhüllung‭

Ohne die Haut zu berücksichtigen,‭ ‬kann man nicht über den Aufbau des Körpers und die Konstruktion der Psyche sprechen.‭ ‬Die Haut ist in jedem Alter das größte Organ des menschlichen Körpers.‭ ‬Beim Baby macht sie sogar‭ ‬20%‭ ‬seines Körpergewichts aus und ist in den ersten Lebensmonaten bevorzugte Quelle für Empfindungen.‭ ‬Die Haut umhüllt uns und umschließt das Innere unseres Körpers,‭ ‬um uns vor der Außenwelt zu schützen,‭ ‬aber auch um mit ihr zu kommunizieren.‭ ‬Sie ist der einzige Sinn,‭ ‬auf den wir nicht verzichten können,‭ ‬denn ohne die Haut können wir nicht leben,‭ ‬da sie an vielen Körperfunktionen beteiligt ist‭ (‬z. B.‭ ‬Temperatur,‭ ‬Durchblutung,‭ ‬Tonus,‭ ‬Transpiration‭)‬.‭ ‬Außerdem ist sie das verbindende Organ,‭ ‬das den gesamten Körper bedeckt.‭ ‬Die Bedeutung der Haut geht aber weit über die Berührung hinaus.‭ ‬Alles,‭ ‬was mit der Haut zu tun hat,‭ ‬reicht noch in Bereiche ganz anderer Ordnung.‭ ‬Die Haut ist ein Organ,‭ ‬an dem sich emotionale Zustände ausdrücken,‭ ‬weshalb Hautkrank­heiten immer schwer zu verstehen und zu heilen sind.‭ ‬Die Funktion der Haut geht über die physiologische Ebene hinaus,‭ ‬sie ist die grundlegende Mittlerin von Empfindungen und Affekten.‭
Jeder kann hier auf eigene mitunter ambivalente Er­fahrungen,‭ ‬Gefühle oder Empfindungen zurückgreifen:‭ ‬Liebkosungen und Schläge,‭ ‬Küsse und Tritte,‭ ‬die Hand,‭ ‬die uns begrüßt,‭ ‬die Meeresbrise oder die Wärme eines Kaminfeuers‭ ‬– all das hinterlässt‮ ‬Spuren auf unserer Haut.
Auch die Berührung hat eine Besonderheit:‭ ‬Derjenige,‭ ‬der berührt,‭ ‬wird berührt.‭ ‬Wenn dies folglich auf jeden von uns zutrifft,‭ ‬dann sind Berührungen und Kontakte in den ersten Lebensmonaten prägend.‭ ‬Der Tastsinn ist der am weitesten entwickelte Sinn zum Zeitpunkt der Geburt,‭ ‬weshalb die Haut des Neugeborenen die Stelle am Körper ist,‭ ‬die am meisten unter dem Fehlen der Uterushülle leidet‭ (‬Oiberman und‭ ‬Mercado‭ ‬2007‭)‬.‭
„Die Haut,‭ ‬ein sensibles Organ,‭ ‬das innere und äußere Wahrnehmungen übermittelt,‭ ‬verbindet die vielfältigen Empfindungen,‭ ‬die das Neugeborene‭ ‬über den‮ ‬Körper der Mutter empfängt,‭ ‬und unterstützt die Entwicklung seiner körperlichen Einheit.‭ ‬Alle kutanen Stimulationen,‭ ‬alle Stimulationen über Liebkosen und‭ ‬Wiegen,‭ ‬verschaffen der Haut eine perzeptive Realität,‭ ‬die ihre Funktion als Grenze zwischen dem Inneren und dem Äußeren des Körpers unterstützt‭; ‬diese Stimulationen modellieren die körperliche Hülle und legen das Fundament für ein leib­liches Ich als Prämisse des psychischen Ichs‭“‬ (Gauberti‭ ‬1993‭)‬.‭
Für Anzieu‭ (‬1993‭) ‬entwickelt sich der psychische Apparat auf Basis von Körpererfahrungen biologischer Natur,‭ ‬bei denen die Haut eine grundlegende Rolle spielt.‭ ‬Die Haut,‭ ‬so seine Worte,‭ „‬versorgt den psychischen Apparat mit den konstitutiven Repräsentationen des Ichs und seinen Hauptfunktionen‭“‬,‭ ‬indem sie die Charakteristika des primären,‭ ‬beginnenden psychischen Haut-Ichs festlegt,‭ ‬die als Hülle fungieren,‭ ‬basierend auf den Eigenschaften der Haut in ihrer Schutz-,‭ ‬Aufnahme-‭ ‬und Wahrnehmungsfunktion,‭ ‬als Zusammenhalt,‭ ‬Stütze,‭ ‬Integration von Empfindungen und als Begrenzung.‭
Im Buch‭ ‬Der Ansatz Aucouturier‭ ‬– Handlungsfantasmen und psychomotorische Praxis‭ (‬Aucouturier‭ ‬2006,‭ ‬33‭) ‬greift Aucouturier den Gedanken von Anzieu‭ (‬1993‭) ‬auf,‭ ‬wenn er schreibt:
‎‮ „‬Über die Handlungen,‭ ‬die Veränderungen bewirkt haben,‭ ‬in Beziehung zum externen Objekt und‮ ‬über die Qualität der Fürsorge,‭ ‬die es erfahren hat,‭ ‬nimmt das Baby ein perzeptives sensomotorisches Gesamt in seinem Körper auf in Form einer externen olfaktorischen,‭ ‬auditiven,‭ ‬visuellen,‭ ‬taktilen,‭ ‬kinästhetischen und posturalen‮ ‬Umhüllung,‭ ‬die auch zu seiner Umhüllung wird.‭ ‬Diese externe Umhüllung wird also die seine und erlaubt ihm,‭ ‬sich permanent umgeben,‭ ‬umhüllt zu fühlen‭“‬ (Anzieu et al.‭ ‬1993,‭ ‬zit.‭ ‬n.‭ ‬Aucouturier‭ ‬2006,‭ ‬33‭)‬.
Aucouturier führt hier den Begriff der Umhüllung ein.‭ ‬Denn obwohl die Haut als umgebende Hülle‮ ‬für den Organismus fungiert,‮ ‬braucht der bei seiner Geburt un­reife und im Körper haltlose Säugling,‭ ‬um sich entwickeln zu können,‭ ‬eine externe Hülle,‭ ‬die ihm das Gefühl gibt,‭ „‬umhüllt zu sein‭“‬,‭ ‬in seiner Haut und seinem Wesen umhüllt zu sein,‭ ‬mit all den strukturierenden Konsequenzen,‭ ‬die dies für seine zukünftige Entwicklung haben wird.‭ ‬Mit anderen Worten:‭ ‬Die Haut umhüllt den Organismus,‭ ‬aber damit sich die Haut umhüllt fühlt,‭ ‬braucht sie eine äußere Hülle,‭ ‬die von der mütterlichen Umgebung bereitgestellt wird,‭ ‬zum Beispiel‭ ‬über‮ ‬Zuneigung,‭ ‬Klänge,‭ ‬Rhythmen,‭ ‬Gerüche und Blicke.
Der Säugling wird all dies aus den Sinneseindrücken aufnehmen,‭ ‬die ihn erreichen,‭ ‬vor allem aber über die Haut,‭ ‬die Berührung und den Kontakt.‭ ‬Von dort aus wird er das Gefühl der schützenden,‭ ‬beruhigenden Um­hüllung erfahren,‭ ‬das‮ ‬für das Leben‮ ‬so unabdingbar ist und das er verloren hat,‭ ‬als er auf die Welt kam.‭ ‬Ohne ein Gefühl schützender und beruhigender Umhüllung ist eine menschliche Entwicklung nicht möglich.‭ ‬Denn so wie ein nackter Säugling allein nicht überleben könnte,‭ ‬würde sich der Mensch ohne Umhüllung auch nicht entwickeln‮ ‬können.

Der Rücken als Ursprung und Halt‭ ‬– zur Bedeutung der Rückseite des Körpers

Stütze und Halt am Rücken kann als Ursprung der weiteren Entwicklung angesehen werden.‭ ‬Der Rücken‭ ‬– diese große Fläche des menschlichen Körpers,‭ ‬die bei Erwachsenen eine wahre Landkarte an Spannungen,‭ ‬Verdrängungen,‭ ‬Problemen und Sorgen repräsentiert‭ ‬– wird in seiner Bedeutung nun näher betrachtet.‭
Im ersten Lebensjahr verbringt ein Baby viele Stunden in horizontaler Lage.‭ ‬Ebenso viele Male wird es hoch­gehoben,‭ ‬getragen,‭ ‬gewickelt,‭ ‬gefüttert,‭ ‬geschaukelt und gewiegt,‭ ‬was alles eine sichere und beständige Unter­stützung und Stütze des Rückens erfordert.‭ ‬Die Sicherheit,‭ ‬die‭ ‬übertragen wird und die‮ ‬man im Rücken spürt,‭ ‬führt zu einem Gefühl der inneren Sicherheit,‭ ‬von dem aus sich eine ganze Welt an Beziehungsentwicklung eröffnet.‭ ‬Dieses Gefühl der Sicherheit und das Wohlbefinden,‭ ‬das sich daraus ergibt,‭ ‬begünstigt die Öffnung des gesamten vorderen Teils des Körpers,‭ ‬insbesondere des Blicks,‭ ‬des Mundes,‭ ‬der oberen Gliedmaßen und der Hände.‭ ‬Dieses Öffnen fördert eine bessere Nahrungsaufnahme und Aufmerksamkeit,‭ ‬eine gute Verbindung‭ ‬über den‮ ‬Blick‭ (‬der vordere Teil des Körpers wird durch den Blick aufrecht­erhalten‭)‬,‭ ‬eine bessere Kommunikation‭ ‬– kurz gesagt:‭ ‬eine Beziehung offenen,‭ ‬gesunden und fließenden Austauschs in der Interaktion mit der Umwelt.
Das Fehlen dieses Gefühls der Sicherheit‭ ‬– einer ausreichend guten Unterstützung und Stütze der Körper­rückseite‭ ‬– kann negative Folgen für die zukünftige Psyche des Kindes haben.‭ ‬Das Gefühl der Leere,‭ ‬das Gefühl zu fallen,‭ ‬belastet die Physiologie des Babys dann so sehr,‭ ‬dass alle seine Funktionen mehr oder weniger stark verändert werden,‭ ‬sowohl die vegetativen als auch die Beziehungsfunktionen.‭ ‬Anspannung verschließt jeden von uns und macht uns unzugänglich für Austausch.‭ ‬Im Baby aber,‭ ‬das gerade erst beginnt,‭ ‬diese Erfahrungen mit dem Austausch zu machen und zu erleben,‭ ‬hinterlässt der durch die Anspannung hervorgerufene Schmerz unauslöschliche Spuren.‭ ‬Der Schmerz verunmöglicht es,‭ ‬positive körperliche und affektive Empfindungen zu empfangen.‭ ‬Der tonische Dialog zwischen Mutter und Kind und damit verbundene Veränderungen aller Art werden erschwert oder unmöglich.
Ich denke,‭ ‬dass wir im Allgemeinen weder in der Welt der Pädagogik noch in der Welt der Psychologie dem‭ ‬­Rücken genügend Bedeutung beimessen,‭ ‬weder im realen noch im symbolischen Sinne.‭ ‬Umso mehr hoffe ich,‭ ‬dass wir es in der Welt der Psychomotorik tun.‭ ‬Der Rücken baut sich im realen und symbolischen Sinn über Empfindungen auf,‭ ‬über ein gutes‭ „‬Holding‭“‬ im Sinne Winnicotts.‭ ‬Der Rücken ist der Ort,‭ ‬an dem das Gefühl von Sicherheit entsteht,‭ ‬das auf der Unter­stützung und Stütze durch die‮ ‬mütterliche Umwelt beruht.‭ ‬Dieses intime Gefühl des Kindes ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine gesunde psychomotorische Entwicklung,‭ ‬da der Impuls zum Handeln und zur Bewegung von der gesamten Körperrückseite ausgeht.‭ ‬Das Bedürfnis,‭ ‬sich zu bewegen,‭ ‬vorwärtszukommen und zu handeln,‭ ‬entspringt der Körperrückseite.‭ ‬Die Fähigkeit,‭ ‬sich‭ ‬über‮ ‬die Vorderseite des Körpers der Umwelt durch Nehmen und Geben zu öffnen,‮ ‬hängt in hohem Maße von diesem Rücken ab,‭ ‬von diesem tonischen Dialog,‭ ‬der in den ersten Lebensmonaten im Rücken gespürt wird und sich dort festgesetzt hat.‭ ‬Die Vorderseite des Körpers ist ein‭ ‬verletzlicher Teil,‭ ‬sie ist offen für Zuneigung und Zärtlichkeit,‭ ‬offen für alles,‭ ‬was mit Leben zu tun hat‭ (‬essen,‭ ‬atmen usw.‭)‬.‭
Von Aucouturier kann man lernen,‭ ‬dass niemand guten Halt,‭ ‬gute Stützpunkte am eigenen Körper hat,‭ ‬der nicht guten Halt und gute Stützpunkte am Körper des anderen hatte.‭ ‬Diese einfache Feststellung enthält eine große Tiefe,‭ ‬vor allem aber verweist sie auf die täglich erlebte Realität eines Kindes:‭ ‬Diese Realität kann weich und sanft‭ ‬– oder auch sehr schmerzhaft,‭ ‬sehr schwierig bzw.‭ ‬sehr widersprüchlich sein.‭ ‬Es bestehen bei den meisten Kindern gute Stützpunkte und ein guter Halt im Körper,‭ ‬doch gibt es auch viele Kinder mit unsicheren,‭ ‬unbeständigen,‭ ‬fragilen und instabilen Stützpunkten,‭ ‬über die sie keine Sicherheit aufbauen können.‭
Die natürliche Entwicklung dieser intimen Sicherheit,‭ ‬die vom Rücken ausgeht,‭ ‬ist gleichbedeutend mit der Entwicklung der Sicherheit in der Haltung über die verschiedenen Stützpunkte,‭ ‬die das Baby im Laufe seiner Entwicklung erwerben wird.‭ ‬Ohne sichere Stützpunkte gibt es kein Gleichgewicht und ohne Gleichgewicht gibt es keine Organisation im Denken,‭ ‬das sich strukturieren kann,‭ ‬noch nicht einmal ansatzweise.‭

Körper in Balance‭ ‬– zur Funktion des Gleichgewichts

Die Reifung der Körperachse,‭ ‬die die vertikale Begegnung mit der Umwelt organisiert,‭ ‬damit Kopf und Rumpf ausgerichtet sind,‭ ‬erfordert eine fortschreitende Organisation des Gleichgewichts.‭ ‬Für die Balance braucht es Sicherheit,‭ ‬die niemals nur physisch ist,‭ ‬sondern aus einem inneren Gefühl der‭ ‬Sicherheit entsteht,‭ ‬das in der Beziehung aufgebaut wird.
Die Beobachtung der Stützpunkte der Kinder ist ein interessanter Indikator für ihre Reife in Bezug auf ihre affektive Sicherheit,‭ ‬ihre Weltoffenheit und ihren Kontakt zur Realität.
Für die Konstruktion des Körperbegriffs sind die topografischen Bezüge wichtig,‭ ‬um die Entwicklung der Dinge zu‭ „‬visualisieren‭“‬.‭
Die Qualität und Wärme der Interaktionen zwischen dem Kind und der mütterlichen Umwelt sind die Auslöser für die psychomotorische Entwicklung des Kindes.‭ ‬Aber wie helfen diese Empfindungen dem Kind,‭ ‬sein volles Entwicklungspotenzial zu entfalten‭? ‬Diese Empfindungen gehen phänomenologisch von der Oberfläche nach innen und bilden schließlich den Körper eines sprechenden und denkenden Menschen.‭ ‬Aber‭ ‬wie kann das Kind die Be­wegung von innen nach außen vollziehen,‭ ‬d.‮ ‬h.‭ ‬ausdrücken,‭ ‬was in ihm ist,‭ ‬um es selbst zu sein und seine Identität zu entwickeln‭?

Körpervolumen‭ ‬– dem Körper Gewicht geben

Das Konzept des Körpervolumens ist grundlegend für die Körperlichkeit des Menschen.‭ ‬Wenn es etwas gibt,‭ ‬das offensichtlich ist,‭ ‬dann,‭ ‬dass der Körper ein Volumen,‭ ‬eine Breite,‭ ‬eine bestimmte Körperfülle,‭ ‬einen Umfang,‭ ‬ein nicht sichtbares Inneres und ein sichtbares Äußeres hat,‭ ‬das zu unserer Identität gehört.‭ ‬Nach Erreichen der Vertikalität ist die Wahrnehmung des Körpervolumens zweifelsohne ein weiterer wichtiger Meilenstein:‭ ‬Ohne die Repräsentation des Körpervolumens,‭ ‬ohne das Gefühl für das Innere und Äußere des Körpers kann keine Subjektivität entstehen.‭ ‬Sie‭ ‬ist untrennbar verbunden mit einem‭ ‚‬psychischen Kontinent‭‘‬,‭ ‬der die Unter­scheidung zwischen der Innen-‭ ‬und der Außenwelt mit sich bringt.‭ ‬In dem Maße,‭ ‬in dem das Kind in der Lage ist,‭ ‬propriozeptive Empfindungen in seinem Körper zu bewahren,‭ ‬in dem Maße,‭ ‬in dem ein Gefühl der Kontinuität des Selbst‭ ‬­etabliert ist,‭ ‬fühlt das Kind den Umfang seines Körpers,‭ ‬fühlt es sein Volumen und unterscheidet zwischen dem Inneren und Äußeren mit all den Elementen,‭ ‬die ein-‭ ‬und austreten.‭ ‬Diese Empfindung eines Innenraums,‭ ‬der durch Haut und Muskulatur von der‭ ‬­Außenwelt ab­gegrenzt ist,‭ ‬ist von großer Bedeutung,‭ ‬denn symbolisch gesehen ist es so,‭ ‬als ob dieser‭ „‬Raum‭“‮ ‬für das‮ ‭„‬Ich‭“‬ „gemacht‭“‬ worden wäre und es nun möglich wäre,‭ ‬Vorstellungen,‭ ‬Bilder,‭ ‬Emotionen,‭ ‬Phantasmen,‭ ‬Impulse zu haben,‭ ‬die geordnet werden müssen,‭ ‬um einen angemessenen Ausdruck nach außen zu finden.‭ ‬In dem Maße,‭ ‬in dem eine Empfindung von Volumen konstruiert wird,‭ ‬können‭ ‬äußere Elemente verinnerlicht werden,‭ ‬insbesondere kann dieser Andere verinnerlicht werden,‭ ‬zu dem es einen affektiven Bezug gibt,‭ ‬er kann im Inneren bewahrt und dort auch‭ ‚‬wiedergefunden‭‘‬ werden.‭
Von diesem Moment an nimmt das Kind eine Be­wegung vor:‭ ‬Es‭ „‬besetzt‭“‬ seinen Körper,‭ ‬was sich im Ausdruck‭ ‬­einer Lebensenergie manifestiert,‭ ‬die von innen nach außen geht,‭ ‬einer Energie,‭ ‬die sich im Körper organisiert und transformiert,‭ ‬die Gestalt annimmt und sich dann im Außen zeigt.

Emotionen geben dem Körper Gewicht

Wenn es ein Volumen gibt,‭ ‬gibt es auch Emotionen.‭ ‬Man kann sogar sagen,‭ ‬dass es die Emotionen sind,‭ ‬die das Volumen ausmachen.‭ ‬Von diesem Moment an werden der emotionale Ausdruck,‭ ‬die Kanalisierung dieser Emotionen,‭ ‬die Symbolisierung und die Entwicklung von regulierenden Prozessen die Mittel sein,‭ ‬mit denen das Kind seinen Körper lebt,‭ ‬ihn sich zu eigen macht,‭ ‬seine Identität entwickelt und vor allem in einen ständigen Austausch mit der Umwelt tritt.‭
- den Körper schwächen,‭ ‬wenn sie nicht ausgedrückt werden‮ ‬können oder dürfen,‭ -sie können Angst verursachen, wenn sie nicht kontrolliert werden, -sie können bedrohlich sein, wenn sie Schaden anrichten;
Angst oder Wut können den Körper lähmen oder ge­radezu aus ihm herausströmen.‭ ‬Kinder können sich selbst als monströs erleben,‭ ‬weil sie fühlen,‭ ‬was sie fühlen.‭ ‬Deshalb ist es wichtig,‭ ‬dass das Kind von der Umwelt nicht nur begrenzt,‭ ‬sondern auch umhüllt wird.‭ ‬Es ist wichtig,‭ ‬damit diese eindringenden Emotionen,‭ ‬die den Körper besetzen,‭ ‬sich‭ ‬über‮ ‬ihn organisieren und ausdrücken,‭ ‬sich in Handlung und Regulierung transformieren,‭ ‬umwandeln können.‭ ‬Kinder müssen ihre Gefühle ausleben,‭ ‬ausspielen,‭ ‬sie sich aneignen,‭ ‬sie von Schuldgefühlen befreien,‭ ‬sie symbolisieren und irgendwann auch über sie nachdenken können.
Laufen,‭ ‬springen,‭ ‬drehen,‭ ‬umherwirbeln,‭ ‬Purzel­bäume schlagen,‭ ‬balancieren,‭ ‬fallen,‭ ‬hinaufklettern,‭ ‬hinabsteigen,‭ ‬rutschen,‭ ‬stoßen,‭ ‬umwerfen,‭ ‬Fangen spielen,‭ ‬Kämpfen,‭ ‬Ver­stecken,‭ ‬Bauen,‭ ‬Verschlingen spielen,‭ ‬Angst,‭ ‬Allmacht,‭ ‬Verlassenheit,‭ ‬Schutz spielen‭ ‬– all das sind Formen,‭ ‬über die Kinder ihren Körper in Besitz nehmen,‭ ‬ihn bewohnen,‭ ‬ihre Gefühle ausdrücken,‭ ‬von den exzessivsten bis hin zu den gehemmtesten.‭ ‬Wut,‭ ‬Neinsagen,‭ ‬übertriebene Reaktionen sind manchmal der gesunde Teil von Kindern,‭ ‬die ihren Platz in der Welt suchen.‭
Ihr Körper sprudelt in dieser Zeit nur so vor Vitalität und Emotion,‭ ‬was die‭ ‬Umwelt nicht immer zu ver­stehen und zu transformieren weiß.‭ ‬Diese lebenswichtige emotionale Energie wird aus dem Körper geboren und ist notwendig,‭ ‬um die Identität des Individuums zu festigen,‭ ‬eine Identität,‭ ‬die Geschlechtsmerkmale aufweist und deren angemessener Ausdruck es ermöglicht,‭ ‬sie in immer filigranere und komplexere Aktivitäten zu verwandeln,‭ ‬die die kognitive Entwicklung fördern.

Vom Gebrauch der Hände

Aus der Begrenzung und Umhüllung,‭ ‬die ihm die Umwelt bietet,‭ ‬wird das Kind zu einem handelnden Wesen.‭ ‬Durch sein Handeln findet es sich selbst und sein narzisstisches Daseinsgefühl,‭ ‬letztlich seine Identität.‭ ‬Die Handlung stärkt die Wirksamkeit des Kindes,‭ ‬indem es sich mit dem identifiziert,‭ ‬was es tut und was ihm ein gutes Gefühl gibt.‭ ‬Wenn es‭ ‬einen Teil des Körpers gibt,‭ ‬der die Handlungsfähigkeit charakterisiert,‭ ‬dann sind es die Hände.‭
Einer der von Eltern‭ ‬– und vor allem von Er­zieher:innen ‭–‬ am häufigsten genannten Reifungs­indikatoren ist der Gebrauch der Hände des Kindes.‭ ‬Ihre Fähigkeit,‭ ‬ihre Kraft,‭ ‬ihre Auge-Hand-Koordination oder die so oft erwähnte‭ „‬Feinmotorik‭“‬ bezieht sich in‭ ‬90‭ ‬Prozent der Fälle auf den Gebrauch der Hände.‭ ‬Kulturell werden menschliche Hände mit der Idee von Arbeit,‭ ‬Produktivität und Effizienz bei der Gestaltung der‭ ‬Umwelt assoziiert,‭ ‬die die Menschheit vorangebracht hat.‭ ‬Und dieser Gedanke ist bis zu einem gewissen Grad auch heute noch vorhanden,‭ ‬wenn wir beurteilen,‭ ‬wie Kinder ihre Hände benutzen.‭ ‬Wir sehen die Hände als Werkzeug,‭ ‬nicht als Teil des kindlichen Körpers,‭ ‬nicht als Teil des sich entwickelnden Menschen,‭ ‬dessen Hände an den gleichen Reifungsprozessen und Problemen beteiligt sind wie der Rest der Person.‭
Kinder berühren alles von Anfang an.‭ ‬Sie fassen die Objekte,‭ ‬die sie sehen,‭ ‬an und bearbeiten sie mit‭ ‬ihren Händen.‭ ‬Sie berühren die Gesichter der Menschen,‭ ‬die sie in den Armen halten.‭ ‬Das Berührungsverbot ist eines der ersten,‭ ‬das ein Kind in seinem Leben zu hören bekommt.‭ ‬Die Hände sind ultimativer Ausdruck der Reifung des Triebes in seiner effektivsten‭ (‬Geschicklichkeit‭)‬,‭ ‬zärtlichsten‭ (‬Streicheln‭) ‬oder aggressivsten‭ (‬Schlagen‭) ‬Ausprägung.‭ ‬Die Hände symbolisieren den Kontakt mit der Umwelt,‭ ‬den Kontakt mit der Realität,‭ ‬den affektiven Kontakt und sind der Kanal,‭ ‬durch den das Kind letztlich alles ausdrückt,‭ ‬was aus seinem Inneren kommt und auf jemanden oder etwas gerichtet ist.‭ ‬Lebenskraft und Lebensenergie werden‭ ‬über‮ ‬die Hände ausgedrückt,‭ ‬ebenso wie Zu­neigung und Zärtlichkeit.‭ ‬Schuldgefühle und‭ ‬übermäßige Verdrängung,‭ ‬aber auch‮ ‬das Fehlen davon,‭ ‬mit allen Schattierungen,‭ ‬die dazwischenliegen,‭ ‬werden‭ ‬über‮ ‬die Hände ausgedrückt.‭
Damit ein Kind in der Lage ist,‭ ‬aufrecht zu sitzen und einen Stift zu halten,‭ ‬muss es einen Körper aufgebaut haben,‭ ‬der eine gute Umhüllung erfahren,‭ ‬eine gute Stütze gehabt hat,‭ ‬insbesondere vom Rücken her.‭ ‬Es muss eine Vertikalität im Gleichgewicht erworben haben,‭ ‬die es ihm erlaubt,‭ ‬den Kopf auf der Körperachse zu halten.‭ ‬Es muss seinen‮ ‬Körper mit Trieben,‭ ‬Wünschen und Emotionen gefüllt haben,‭ ‬die auf vergnügliche und lustvolle Art und Weise vor den Augen eines verständnisvollen Erwachsenen ausgedrückt werden können.‭ ‬In diesem Fall ist der Gebrauch der Hände fließend und ohne größere Probleme,‭ ‬weil die Funktion der Hände voller Bedeutung ist.‭ ‬Wenn aber das Innere des Kindes aus verschiedenen Gründen gestört und unruhig ist,‭ ‬ist es fast sicher,‭ ‬dass der Gebrauch der Hände und die sozialen Kontakte im Allgemeinen beeinträchtigt werden.‭

Den Körper bewohnen

Der Aufbau eines Körpers ist ein Prozess,‭ ‬der mit der Verinnerlichung von‭ ‬Empfindungen beginnt.‭ ‬Diese werden zu Wahrnehmungen.‭ ‬Sobald sich ein psychischer Kontinent gebildet hat,‭ ‬der von Trieben,‭ ‬Emotionen,‭ ‬Affekten und Gedanken bewohnt wird,‭ ‬die im gegenseitigen Handeln und Transformieren mit der Umwelt zum Ausdruck kommen,‭ ‬entsteht mit der Außenwelt ein Fließen,‭ ‬ein Kommen und Gehen gegenseitiger Bereicherung und wechselseitiger Veränderbarkeit.‭
Mit einem Körper zu leben,‭ ‬der sich nur schwer zu einem Selbstgefühl organisieren lässt ‭–‬ ohne ein Gefühl der Zugehörigkeit zu diesem Körper ‭–‬,‭ ‬ist ein Leben in Angst und Schrecken.
Das Gehen auf Zehenspitzen,‭ ‬das Flattern oder Zittern der Hände oder ihr krampfhaftes Verschließen,‭ ‬das Hüpfen auf der Stelle,‭ ‬das Agitiertsein,‭ ‬Sich-vor-und-zurück-Wiegen oder zwanghafte Selbstbefriedigung‭ ‬sind Erscheinungen von Kindern,‭ ‬die ihren Körper nicht bewohnen.‭ ‬Stattdessen übernehmen ihre Impulse,‭ ‬ihre Ängste,‭ ‬ihre Emotionen den Körper,‭ ‬ohne dass sie sie repräsentieren können.‭ ‬Sie sind ihnen ausgeliefert,‭ ‬ohne sie kontrollieren zu können,‭ ‬als ob die verschiedenen Teile ihres Körpers nicht zu ihnen gehörten und ohne ihren Willen agierten.
Sich ziellos im Raum zu bewegen,‭ ‬das Bedürfnis‭ ‬­ständig zu stören,‭ ‬das Bedürfnis,‭ ‬fast in den Körper des anderen einzudringen oder den Körper des anderen ganz nahe zu spüren oder ihn anzugreifen,‭ ‬das Bedürfnis,‭ ‬un­unterbrochen zu reden usw.‭ ‬sind Ausdrucksweisen,‭ ‬die uns von der Fragilität der Repräsentation des Selbst erzählen.‭ ‬Es sind Kinder,‭ ‬die weiterhin die Anwesenheit des anderen brauchen,‭ ‬um sich sicher zu fühlen und nicht in Angst und Schrecken zu verfallen,‭ ‬weil sie nicht in der Lage sind,‭ ‬Prozesse der Beruhigung und Selbstregulierung durch Handeln zu entwickeln.‭ ‬Es sind Kinder,‭ ‬die von ihren Impulsen und Bedürfnissen beherrscht werden,‭ ‬die sich in ihrer eigenen Haut nicht wohlfühlen und immer noch die Haut des anderen brauchen,‭ ‬um ihnen Schutz und Umhüllung zu gewähren.
Den Körper zu bewohnen ermöglicht uns,‭ ‬die Leichtigkeit von Begehren,‭ ‬Ausdruck,‭ ‬Beziehung,‭ ‬Bewegung,‭ ‬von Fühlen,‭ ‬Denken und Sein zu erfahren‭ ‬– mit anderen Worten:‭ ‬das‭ „‬Wohlfühlen in der eigenen Haut‭“‬.Wenn die erste Schöpfung des Kindes sein eigener Körper ist,‭ ‬ermöglicht die psychomotorische Praxis den Kindern,‭ ‬sich in Beziehung selbst und neu zu erschaffen,‭ ‬sich neu zu gestalten und zu verwandeln,‭ ‬kurz gesagt,‭ ‬sich physisch und psychisch zu nähren durch ihr eigenes Handeln in einem speziell dafür vorgesehenen Raum.Barfuß,‭ ‬damit man die Stützpunkte spüren kann,‭
Wenn wir die Kinder fragen,‭ ‬haben sie keinen Zweifel:‭ ‬Es gibt nur einen Ort,‭ ‬der so ist‭ ‬– der Psychomotorik-Raum.‭Überarbeiteter Beitrag aus‭ „‬Praxis der‭ ‬­Psychomotorik‭“‬ 4/2015,‭ ‬204‭–‬211Übersetzung:‭
 

Literatur

Anzieu,‭ ‬D.‭ ‬et.‭ ‬al.‭ (‬1993‭)‬:‭ ‬Les contenants de pensee.‭ ‬Paris:‭ ‬Dunod.
Aucouturier,‭ ‬B.‭ (‬2006‭)‬:‭ ‬Der Ansatz Aucouturier‭ ‬– Handlungsfantasmen und psychomotorische Praxis.‭ ‬Bonn:‭ ‬proiecta Verlag.‭
Freud,‭ ‬S.‭ (‬1974‭)‬:‭ ‬Gesammelte Werke.‭ ‬Das‭ „‬Ich‭“‬ und das‭ „‬Es‭“‬.‭ ‬Madrid:‭ ‬Editorial Biblioteca Nueva.
Gauberti,‭ ‬M.‭ (‬1993‭)‬:‭ ‬Mère-enfant:‭ ‬à corps et à vie:‭ ‬Analyse et thérapies psychomotrices des‭ ‬interactions précoces.‭ ‬Paris:‭ ‬Masson.
Oiberman,‭ ‬A.‭ ‬und Mercado,‭ ‬A.‭ (‬2007‭)‬:‭ ‬Nacer,‭ ‬jugar y pensar.‭ ‬Guía para acompañar a los bebés.‭ ‬Buenos Aires:‭ ‬Lugar Editorial.AutorinMary Angeles Cremades Carceller,‭ ‬klinische Psychologin und Psychomotorik-Therapeutin der ASEFOP.‭ ‬Sie gründete das spanische Aus­bildungsinstitut für Psycho­motorische Praxis Aucouturier in Madrid.‭ ‬Von‭ ‬2009‭ ‬bis‭ ‬2019‭ ‬war sie‭ ‬­Präsidentin der ASEFOP.cefopp@cefopp.com‭