Den Körper aufbauen, den Körper bewohnen – über den Körper zur Person werden
Wann und wie wird unser Organismus zu einem Körper? Wann wird dieser Körper, den andere sehen, zu meinem Körper? Existiere ich, bevor ich meinen Körper als meinen eigenen empfinde? Wie wird ein Mensch über seinen Körper zur Person?
Jedes Baby, das auf die Welt kommt, steht vor der Aufgabe, sich als ein menschliches Wesen zu entwickeln. Der Mensch wird zwar mit einem Organismus geboren, seinen Körper aber muss er erst noch aufbauen und eine innere Repräsentation seiner selbst konstruieren. Die Entwicklung des Körpers geht mit der psychischen Entwicklung einher. Den Körper als meinen Körper zu erleben ist ein mentaler Prozess. Ich nenne dies das „Bewohnen“ des eigenen Körpers. In meinen Überlegungen beziehe ich mich auf den theoretischen Rahmen der psychomotorischen Praxis von Bernard Aucouturier.
Aus unserer dualistischen und kartesianischen Tradition heraus denken wir, dass sich der Körper nach seinen eigenen Parametern entwickelt. Wir messen das Wachstum des Körpers in Zentimetern und Prozenten. Wir bewerten Entwicklung auf der Grundlage der erworbenen motorischen Fähigkeiten. Wir befassen uns mit Krankheiten und berücksichtigen meist nur die Entwicklung des biologischen Organismus.
Intelligenz, Aufmerksamkeit, Neugier, Respekt, die Fähigkeit zu warten, die Fähigkeit zu teilen oder zuzuhören, eine bestimmte Körperhaltung einzunehmen oder die Hände zu benutzen, um einen Bleistift zu halten – all das wirkt so, als hätte das Kind das „schlagartig“ erworben. Es wirkt, als hätten diese Fähigkeiten und ihre Weiterentwicklung nichts mit der Physiologie und der Erziehung zu tun, als ob Psyche und Soma getrennte Einheiten wären, die nur in Exzessen kindlichen Verhaltens, nur bei schwierigen Verhaltensweisen von Kindern miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Realität sieht anders aus.
Bei der Geburt ist sich das Kind seiner selbst nicht bewusst. Es ist sich weder bewusst, dass sein Körper sein eigener ist, noch, dass dieser Körper vom anderen getrennt ist. Es hat nur seine Physiologie zur Verfügung. Das Kind ist ein Organismus mit einem genetischen Gepäck, in das ein Potenzial eingeschrieben ist, das den Übergang von der Physiologie zum Denken ermöglicht. Hier gibt es beim menschlichen Wesen jedoch eine Besonderheit: Dieser „Übergang“ kann nur durch die körperliche Erfahrung in Beziehung erfolgen, das heißt durch die Beziehung zwischen diesem Organismus und einem Körper, der bereits humanisiert und eine Einheit ist.
Die Momente, in denen Mutter und Kind eine gemeinsame lustvolle Einheit erleben, sind der Ursprung für die Bildung der leiblichen Einheit beim Kind. Aus dieser frühen nahen Verbindung entstehen die ersten unbewussten Repräsentationen, die die phantasmatische Bewegung hervorbringen, auf deren Grundlagen sich die Psyche aufbaut. Die Psyche ist nicht, sondern sie wird. Die Psyche beruht auf Empfindungen, die im Organismus aufgenommen und erfasst werden. Dieser Organismus wird bereits als Körper erkannt, weil wir ihm bereits eine Einheit und eine Identität geben – das Kind kennt diese aber noch nicht.
Die Art und Weise, wie das menschliche Wesen zur Person wird, ist nicht zu trennen vom Prozess der Repräsentation des Körpers. Die Körperlichkeit des menschlichen Wesens weist einige Besonderheiten auf, die in diesem Prozess von Bedeutung sind:
- Der Mensch hat eine nackte Haut
- Der Mensch lebt in einer aufrechten Position
- Der Mensch braucht seine oberen Gliedmaßen nicht für Gleichgewicht, sodass seine Hände frei sind
- Das menschliche Baby braucht einen anderen für sein Überleben
Wenn dem so ist, dann werden diese Eigenschaften wahrscheinlich auch damit zu tun haben, dass der Mensch zu einem denkenden Wesen wird, das der Sprache mächtig ist. Dieser Prozess wird anhand einiger einfacher, aber zum Nachdenken anregender Bezugspunkte veranschaulicht – und dies immer in Bezug auf die motorische Ausdrucksfähigkeit des Kindes.
Wenn es eine Sache gibt, die unbestreitbar ist, dann ist es die Liebe, mit der sich Eltern um ihr Baby kümmern. Die Hingabe, die das menschliche Baby für sein Überleben braucht, ist nur durch die Großzügigkeit und Zärtlichkeit zu verstehen, die das Baby bei seinen Eltern zu wecken vermag. Es entlockt ihnen intentional das Beste von sich selbst. Eine einzigartige und dauerhafte Bindung für das ganze Leben entsteht. Aber damit diese Liebe vom Baby empfangen, gefühlt und aufgenommen werden kann, muss sie „inkarniert“ werden – sozusagen in Fleisch und Blut übergehen – über die Sinnes- und Wahrnehmungssysteme, die dem Baby in diesem Moment zur Verfügung stehen.
Kontakt, Berührung, Liebkosung, Fürsorge und Pflege, das Halten und Umhüllen – all das wirkt unmittelbar ein auf die Haut des Babys, seinen Tonus und die verschiedenen Teile seines Körpers. Das Kind kann darüber allmählich ein Gefühl körperlicher Einheit verinnerlichen, das die Grundlage für das Selbstgefühl bildet.
„Das Ich“, sagt Freud, ist „vor allem ein Körper-Ich, das aus den körperlichen Empfindungen hervorgeht, besonders denen, die von der Körperoberfläche kommen“ (Freud, GW XIII, 255), d. h., das „Ich“ wird so von den äußersten Elementen der Oberfläche hin zum Inneren geformt. Da man Freud immer Beachtung schenken sollte, werde ich mich zunächst der Haut und der Umhüllung widmen.
„Das Ich ist vor allem ein körperliches“ (Freud) – Haut und Umhüllung
Ohne die Haut zu berücksichtigen, kann man nicht über den Aufbau des Körpers und die Konstruktion der Psyche sprechen. Die Haut ist in jedem Alter das größte Organ des menschlichen Körpers. Beim Baby macht sie sogar 20% seines Körpergewichts aus und ist in den ersten Lebensmonaten bevorzugte Quelle für Empfindungen. Die Haut umhüllt uns und umschließt das Innere unseres Körpers, um uns vor der Außenwelt zu schützen, aber auch um mit ihr zu kommunizieren. Sie ist der einzige Sinn, auf den wir nicht verzichten können, denn ohne die Haut können wir nicht leben, da sie an vielen Körperfunktionen beteiligt ist (z. B. Temperatur, Durchblutung, Tonus, Transpiration). Außerdem ist sie das verbindende Organ, das den gesamten Körper bedeckt. Die Bedeutung der Haut geht aber weit über die Berührung hinaus. Alles, was mit der Haut zu tun hat, reicht noch in Bereiche ganz anderer Ordnung. Die Haut ist ein Organ, an dem sich emotionale Zustände ausdrücken, weshalb Hautkrankheiten immer schwer zu verstehen und zu heilen sind. Die Funktion der Haut geht über die physiologische Ebene hinaus, sie ist die grundlegende Mittlerin von Empfindungen und Affekten.
Jeder kann hier auf eigene mitunter ambivalente Erfahrungen, Gefühle oder Empfindungen zurückgreifen: Liebkosungen und Schläge, Küsse und Tritte, die Hand, die uns begrüßt, die Meeresbrise oder die Wärme eines Kaminfeuers – all das hinterlässt Spuren auf unserer Haut.
Auch die Berührung hat eine Besonderheit: Derjenige, der berührt, wird berührt. Wenn dies folglich auf jeden von uns zutrifft, dann sind Berührungen und Kontakte in den ersten Lebensmonaten prägend. Der Tastsinn ist der am weitesten entwickelte Sinn zum Zeitpunkt der Geburt, weshalb die Haut des Neugeborenen die Stelle am Körper ist, die am meisten unter dem Fehlen der Uterushülle leidet (Oiberman und Mercado 2007).
„Die Haut, ein sensibles Organ, das innere und äußere Wahrnehmungen übermittelt, verbindet die vielfältigen Empfindungen, die das Neugeborene über den Körper der Mutter empfängt, und unterstützt die Entwicklung seiner körperlichen Einheit. Alle kutanen Stimulationen, alle Stimulationen über Liebkosen und Wiegen, verschaffen der Haut eine perzeptive Realität, die ihre Funktion als Grenze zwischen dem Inneren und dem Äußeren des Körpers unterstützt; diese Stimulationen modellieren die körperliche Hülle und legen das Fundament für ein leibliches Ich als Prämisse des psychischen Ichs“ (Gauberti 1993).
Für Anzieu (1993) entwickelt sich der psychische Apparat auf Basis von Körpererfahrungen biologischer Natur, bei denen die Haut eine grundlegende Rolle spielt. Die Haut, so seine Worte, „versorgt den psychischen Apparat mit den konstitutiven Repräsentationen des Ichs und seinen Hauptfunktionen“, indem sie die Charakteristika des primären, beginnenden psychischen Haut-Ichs festlegt, die als Hülle fungieren, basierend auf den Eigenschaften der Haut in ihrer Schutz-, Aufnahme- und Wahrnehmungsfunktion, als Zusammenhalt, Stütze, Integration von Empfindungen und als Begrenzung.
Im Buch Der Ansatz Aucouturier – Handlungsfantasmen und psychomotorische Praxis (Aucouturier 2006, 33) greift Aucouturier den Gedanken von Anzieu (1993) auf, wenn er schreibt:
„Über die Handlungen, die Veränderungen bewirkt haben, in Beziehung zum externen Objekt und über die Qualität der Fürsorge, die es erfahren hat, nimmt das Baby ein perzeptives sensomotorisches Gesamt in seinem Körper auf in Form einer externen olfaktorischen, auditiven, visuellen, taktilen, kinästhetischen und posturalen Umhüllung, die auch zu seiner Umhüllung wird. Diese externe Umhüllung wird also die seine und erlaubt ihm, sich permanent umgeben, umhüllt zu fühlen“ (Anzieu et al. 1993, zit. n. Aucouturier 2006, 33).
Aucouturier führt hier den Begriff der Umhüllung ein. Denn obwohl die Haut als umgebende Hülle für den Organismus fungiert, braucht der bei seiner Geburt unreife und im Körper haltlose Säugling, um sich entwickeln zu können, eine externe Hülle, die ihm das Gefühl gibt, „umhüllt zu sein“, in seiner Haut und seinem Wesen umhüllt zu sein, mit all den strukturierenden Konsequenzen, die dies für seine zukünftige Entwicklung haben wird. Mit anderen Worten: Die Haut umhüllt den Organismus, aber damit sich die Haut umhüllt fühlt, braucht sie eine äußere Hülle, die von der mütterlichen Umgebung bereitgestellt wird, zum Beispiel über Zuneigung, Klänge, Rhythmen, Gerüche und Blicke.
Der Säugling wird all dies aus den Sinneseindrücken aufnehmen, die ihn erreichen, vor allem aber über die Haut, die Berührung und den Kontakt. Von dort aus wird er das Gefühl der schützenden, beruhigenden Umhüllung erfahren, das für das Leben so unabdingbar ist und das er verloren hat, als er auf die Welt kam. Ohne ein Gefühl schützender und beruhigender Umhüllung ist eine menschliche Entwicklung nicht möglich. Denn so wie ein nackter Säugling allein nicht überleben könnte, würde sich der Mensch ohne Umhüllung auch nicht entwickeln können.
Der Rücken als Ursprung und Halt – zur Bedeutung der Rückseite des Körpers
Stütze und Halt am Rücken kann als Ursprung der weiteren Entwicklung angesehen werden. Der Rücken – diese große Fläche des menschlichen Körpers, die bei Erwachsenen eine wahre Landkarte an Spannungen, Verdrängungen, Problemen und Sorgen repräsentiert – wird in seiner Bedeutung nun näher betrachtet.
Im ersten Lebensjahr verbringt ein Baby viele Stunden in horizontaler Lage. Ebenso viele Male wird es hochgehoben, getragen, gewickelt, gefüttert, geschaukelt und gewiegt, was alles eine sichere und beständige Unterstützung und Stütze des Rückens erfordert. Die Sicherheit, die übertragen wird und die man im Rücken spürt, führt zu einem Gefühl der inneren Sicherheit, von dem aus sich eine ganze Welt an Beziehungsentwicklung eröffnet. Dieses Gefühl der Sicherheit und das Wohlbefinden, das sich daraus ergibt, begünstigt die Öffnung des gesamten vorderen Teils des Körpers, insbesondere des Blicks, des Mundes, der oberen Gliedmaßen und der Hände. Dieses Öffnen fördert eine bessere Nahrungsaufnahme und Aufmerksamkeit, eine gute Verbindung über den Blick (der vordere Teil des Körpers wird durch den Blick aufrechterhalten), eine bessere Kommunikation – kurz gesagt: eine Beziehung offenen, gesunden und fließenden Austauschs in der Interaktion mit der Umwelt.
Das Fehlen dieses Gefühls der Sicherheit – einer ausreichend guten Unterstützung und Stütze der Körperrückseite – kann negative Folgen für die zukünftige Psyche des Kindes haben. Das Gefühl der Leere, das Gefühl zu fallen, belastet die Physiologie des Babys dann so sehr, dass alle seine Funktionen mehr oder weniger stark verändert werden, sowohl die vegetativen als auch die Beziehungsfunktionen. Anspannung verschließt jeden von uns und macht uns unzugänglich für Austausch. Im Baby aber, das gerade erst beginnt, diese Erfahrungen mit dem Austausch zu machen und zu erleben, hinterlässt der durch die Anspannung hervorgerufene Schmerz unauslöschliche Spuren. Der Schmerz verunmöglicht es, positive körperliche und affektive Empfindungen zu empfangen. Der tonische Dialog zwischen Mutter und Kind und damit verbundene Veränderungen aller Art werden erschwert oder unmöglich.
Ich denke, dass wir im Allgemeinen weder in der Welt der Pädagogik noch in der Welt der Psychologie dem Rücken genügend Bedeutung beimessen, weder im realen noch im symbolischen Sinne. Umso mehr hoffe ich, dass wir es in der Welt der Psychomotorik tun. Der Rücken baut sich im realen und symbolischen Sinn über Empfindungen auf, über ein gutes „Holding“ im Sinne Winnicotts. Der Rücken ist der Ort, an dem das Gefühl von Sicherheit entsteht, das auf der Unterstützung und Stütze durch die mütterliche Umwelt beruht. Dieses intime Gefühl des Kindes ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine gesunde psychomotorische Entwicklung, da der Impuls zum Handeln und zur Bewegung von der gesamten Körperrückseite ausgeht. Das Bedürfnis, sich zu bewegen, vorwärtszukommen und zu handeln, entspringt der Körperrückseite. Die Fähigkeit, sich über die Vorderseite des Körpers der Umwelt durch Nehmen und Geben zu öffnen, hängt in hohem Maße von diesem Rücken ab, von diesem tonischen Dialog, der in den ersten Lebensmonaten im Rücken gespürt wird und sich dort festgesetzt hat. Die Vorderseite des Körpers ist ein verletzlicher Teil, sie ist offen für Zuneigung und Zärtlichkeit, offen für alles, was mit Leben zu tun hat (essen, atmen usw.).
Von Aucouturier kann man lernen, dass niemand guten Halt, gute Stützpunkte am eigenen Körper hat, der nicht guten Halt und gute Stützpunkte am Körper des anderen hatte. Diese einfache Feststellung enthält eine große Tiefe, vor allem aber verweist sie auf die täglich erlebte Realität eines Kindes: Diese Realität kann weich und sanft – oder auch sehr schmerzhaft, sehr schwierig bzw. sehr widersprüchlich sein. Es bestehen bei den meisten Kindern gute Stützpunkte und ein guter Halt im Körper, doch gibt es auch viele Kinder mit unsicheren, unbeständigen, fragilen und instabilen Stützpunkten, über die sie keine Sicherheit aufbauen können.
Die natürliche Entwicklung dieser intimen Sicherheit, die vom Rücken ausgeht, ist gleichbedeutend mit der Entwicklung der Sicherheit in der Haltung über die verschiedenen Stützpunkte, die das Baby im Laufe seiner Entwicklung erwerben wird. Ohne sichere Stützpunkte gibt es kein Gleichgewicht und ohne Gleichgewicht gibt es keine Organisation im Denken, das sich strukturieren kann, noch nicht einmal ansatzweise.
Körper in Balance – zur Funktion des Gleichgewichts
Die Reifung der Körperachse, die die vertikale Begegnung mit der Umwelt organisiert, damit Kopf und Rumpf ausgerichtet sind, erfordert eine fortschreitende Organisation des Gleichgewichts. Für die Balance braucht es Sicherheit, die niemals nur physisch ist, sondern aus einem inneren Gefühl der Sicherheit entsteht, das in der Beziehung aufgebaut wird.
Die Beobachtung der Stützpunkte der Kinder ist ein interessanter Indikator für ihre Reife in Bezug auf ihre affektive Sicherheit, ihre Weltoffenheit und ihren Kontakt zur Realität.
Für die Konstruktion des Körperbegriffs sind die topografischen Bezüge wichtig, um die Entwicklung der Dinge zu „visualisieren“.
Die Qualität und Wärme der Interaktionen zwischen dem Kind und der mütterlichen Umwelt sind die Auslöser für die psychomotorische Entwicklung des Kindes. Aber wie helfen diese Empfindungen dem Kind, sein volles Entwicklungspotenzial zu entfalten? Diese Empfindungen gehen phänomenologisch von der Oberfläche nach innen und bilden schließlich den Körper eines sprechenden und denkenden Menschen. Aber wie kann das Kind die Bewegung von innen nach außen vollziehen, d. h. ausdrücken, was in ihm ist, um es selbst zu sein und seine Identität zu entwickeln?
Körpervolumen – dem Körper Gewicht geben
Das Konzept des Körpervolumens ist grundlegend für die Körperlichkeit des Menschen. Wenn es etwas gibt, das offensichtlich ist, dann, dass der Körper ein Volumen, eine Breite, eine bestimmte Körperfülle, einen Umfang, ein nicht sichtbares Inneres und ein sichtbares Äußeres hat, das zu unserer Identität gehört. Nach Erreichen der Vertikalität ist die Wahrnehmung des Körpervolumens zweifelsohne ein weiterer wichtiger Meilenstein: Ohne die Repräsentation des Körpervolumens, ohne das Gefühl für das Innere und Äußere des Körpers kann keine Subjektivität entstehen. Sie ist untrennbar verbunden mit einem ‚psychischen Kontinent‘, der die Unterscheidung zwischen der Innen- und der Außenwelt mit sich bringt. In dem Maße, in dem das Kind in der Lage ist, propriozeptive Empfindungen in seinem Körper zu bewahren, in dem Maße, in dem ein Gefühl der Kontinuität des Selbst etabliert ist, fühlt das Kind den Umfang seines Körpers, fühlt es sein Volumen und unterscheidet zwischen dem Inneren und Äußeren mit all den Elementen, die ein- und austreten. Diese Empfindung eines Innenraums, der durch Haut und Muskulatur von der Außenwelt abgegrenzt ist, ist von großer Bedeutung, denn symbolisch gesehen ist es so, als ob dieser „Raum“ für das „Ich“ „gemacht“ worden wäre und es nun möglich wäre, Vorstellungen, Bilder, Emotionen, Phantasmen, Impulse zu haben, die geordnet werden müssen, um einen angemessenen Ausdruck nach außen zu finden. In dem Maße, in dem eine Empfindung von Volumen konstruiert wird, können äußere Elemente verinnerlicht werden, insbesondere kann dieser Andere verinnerlicht werden, zu dem es einen affektiven Bezug gibt, er kann im Inneren bewahrt und dort auch ‚wiedergefunden‘ werden.
Von diesem Moment an nimmt das Kind eine Bewegung vor: Es „besetzt“ seinen Körper, was sich im Ausdruck einer Lebensenergie manifestiert, die von innen nach außen geht, einer Energie, die sich im Körper organisiert und transformiert, die Gestalt annimmt und sich dann im Außen zeigt.
Emotionen geben dem Körper Gewicht
Wenn es ein Volumen gibt, gibt es auch Emotionen. Man kann sogar sagen, dass es die Emotionen sind, die das Volumen ausmachen. Von diesem Moment an werden der emotionale Ausdruck, die Kanalisierung dieser Emotionen, die Symbolisierung und die Entwicklung von regulierenden Prozessen die Mittel sein, mit denen das Kind seinen Körper lebt, ihn sich zu eigen macht, seine Identität entwickelt und vor allem in einen ständigen Austausch mit der Umwelt tritt.
- den Körper schwächen, wenn sie nicht ausgedrückt werden können oder dürfen, -sie können Angst verursachen, wenn sie nicht kontrolliert werden, -sie können bedrohlich sein, wenn sie Schaden anrichten;
Angst oder Wut können den Körper lähmen oder geradezu aus ihm herausströmen. Kinder können sich selbst als monströs erleben, weil sie fühlen, was sie fühlen. Deshalb ist es wichtig, dass das Kind von der Umwelt nicht nur begrenzt, sondern auch umhüllt wird. Es ist wichtig, damit diese eindringenden Emotionen, die den Körper besetzen, sich über ihn organisieren und ausdrücken, sich in Handlung und Regulierung transformieren, umwandeln können. Kinder müssen ihre Gefühle ausleben, ausspielen, sie sich aneignen, sie von Schuldgefühlen befreien, sie symbolisieren und irgendwann auch über sie nachdenken können.
Laufen, springen, drehen, umherwirbeln, Purzelbäume schlagen, balancieren, fallen, hinaufklettern, hinabsteigen, rutschen, stoßen, umwerfen, Fangen spielen, Kämpfen, Verstecken, Bauen, Verschlingen spielen, Angst, Allmacht, Verlassenheit, Schutz spielen – all das sind Formen, über die Kinder ihren Körper in Besitz nehmen, ihn bewohnen, ihre Gefühle ausdrücken, von den exzessivsten bis hin zu den gehemmtesten. Wut, Neinsagen, übertriebene Reaktionen sind manchmal der gesunde Teil von Kindern, die ihren Platz in der Welt suchen.
Ihr Körper sprudelt in dieser Zeit nur so vor Vitalität und Emotion, was die Umwelt nicht immer zu verstehen und zu transformieren weiß. Diese lebenswichtige emotionale Energie wird aus dem Körper geboren und ist notwendig, um die Identität des Individuums zu festigen, eine Identität, die Geschlechtsmerkmale aufweist und deren angemessener Ausdruck es ermöglicht, sie in immer filigranere und komplexere Aktivitäten zu verwandeln, die die kognitive Entwicklung fördern.
Vom Gebrauch der Hände
Aus der Begrenzung und Umhüllung, die ihm die Umwelt bietet, wird das Kind zu einem handelnden Wesen. Durch sein Handeln findet es sich selbst und sein narzisstisches Daseinsgefühl, letztlich seine Identität. Die Handlung stärkt die Wirksamkeit des Kindes, indem es sich mit dem identifiziert, was es tut und was ihm ein gutes Gefühl gibt. Wenn es einen Teil des Körpers gibt, der die Handlungsfähigkeit charakterisiert, dann sind es die Hände.
Einer der von Eltern – und vor allem von Erzieher:innen – am häufigsten genannten Reifungsindikatoren ist der Gebrauch der Hände des Kindes. Ihre Fähigkeit, ihre Kraft, ihre Auge-Hand-Koordination oder die so oft erwähnte „Feinmotorik“ bezieht sich in 90 Prozent der Fälle auf den Gebrauch der Hände. Kulturell werden menschliche Hände mit der Idee von Arbeit, Produktivität und Effizienz bei der Gestaltung der Umwelt assoziiert, die die Menschheit vorangebracht hat. Und dieser Gedanke ist bis zu einem gewissen Grad auch heute noch vorhanden, wenn wir beurteilen, wie Kinder ihre Hände benutzen. Wir sehen die Hände als Werkzeug, nicht als Teil des kindlichen Körpers, nicht als Teil des sich entwickelnden Menschen, dessen Hände an den gleichen Reifungsprozessen und Problemen beteiligt sind wie der Rest der Person.
Kinder berühren alles von Anfang an. Sie fassen die Objekte, die sie sehen, an und bearbeiten sie mit ihren Händen. Sie berühren die Gesichter der Menschen, die sie in den Armen halten. Das Berührungsverbot ist eines der ersten, das ein Kind in seinem Leben zu hören bekommt. Die Hände sind ultimativer Ausdruck der Reifung des Triebes in seiner effektivsten (Geschicklichkeit), zärtlichsten (Streicheln) oder aggressivsten (Schlagen) Ausprägung. Die Hände symbolisieren den Kontakt mit der Umwelt, den Kontakt mit der Realität, den affektiven Kontakt und sind der Kanal, durch den das Kind letztlich alles ausdrückt, was aus seinem Inneren kommt und auf jemanden oder etwas gerichtet ist. Lebenskraft und Lebensenergie werden über die Hände ausgedrückt, ebenso wie Zuneigung und Zärtlichkeit. Schuldgefühle und übermäßige Verdrängung, aber auch das Fehlen davon, mit allen Schattierungen, die dazwischenliegen, werden über die Hände ausgedrückt.
Damit ein Kind in der Lage ist, aufrecht zu sitzen und einen Stift zu halten, muss es einen Körper aufgebaut haben, der eine gute Umhüllung erfahren, eine gute Stütze gehabt hat, insbesondere vom Rücken her. Es muss eine Vertikalität im Gleichgewicht erworben haben, die es ihm erlaubt, den Kopf auf der Körperachse zu halten. Es muss seinen Körper mit Trieben, Wünschen und Emotionen gefüllt haben, die auf vergnügliche und lustvolle Art und Weise vor den Augen eines verständnisvollen Erwachsenen ausgedrückt werden können. In diesem Fall ist der Gebrauch der Hände fließend und ohne größere Probleme, weil die Funktion der Hände voller Bedeutung ist. Wenn aber das Innere des Kindes aus verschiedenen Gründen gestört und unruhig ist, ist es fast sicher, dass der Gebrauch der Hände und die sozialen Kontakte im Allgemeinen beeinträchtigt werden.
Den Körper bewohnen
Der Aufbau eines Körpers ist ein Prozess, der mit der Verinnerlichung von Empfindungen beginnt. Diese werden zu Wahrnehmungen. Sobald sich ein psychischer Kontinent gebildet hat, der von Trieben, Emotionen, Affekten und Gedanken bewohnt wird, die im gegenseitigen Handeln und Transformieren mit der Umwelt zum Ausdruck kommen, entsteht mit der Außenwelt ein Fließen, ein Kommen und Gehen gegenseitiger Bereicherung und wechselseitiger Veränderbarkeit.
Mit einem Körper zu leben, der sich nur schwer zu einem Selbstgefühl organisieren lässt – ohne ein Gefühl der Zugehörigkeit zu diesem Körper –, ist ein Leben in Angst und Schrecken.
Das Gehen auf Zehenspitzen, das Flattern oder Zittern der Hände oder ihr krampfhaftes Verschließen, das Hüpfen auf der Stelle, das Agitiertsein, Sich-vor-und-zurück-Wiegen oder zwanghafte Selbstbefriedigung sind Erscheinungen von Kindern, die ihren Körper nicht bewohnen. Stattdessen übernehmen ihre Impulse, ihre Ängste, ihre Emotionen den Körper, ohne dass sie sie repräsentieren können. Sie sind ihnen ausgeliefert, ohne sie kontrollieren zu können, als ob die verschiedenen Teile ihres Körpers nicht zu ihnen gehörten und ohne ihren Willen agierten.
Sich ziellos im Raum zu bewegen, das Bedürfnis ständig zu stören, das Bedürfnis, fast in den Körper des anderen einzudringen oder den Körper des anderen ganz nahe zu spüren oder ihn anzugreifen, das Bedürfnis, ununterbrochen zu reden usw. sind Ausdrucksweisen, die uns von der Fragilität der Repräsentation des Selbst erzählen. Es sind Kinder, die weiterhin die Anwesenheit des anderen brauchen, um sich sicher zu fühlen und nicht in Angst und Schrecken zu verfallen, weil sie nicht in der Lage sind, Prozesse der Beruhigung und Selbstregulierung durch Handeln zu entwickeln. Es sind Kinder, die von ihren Impulsen und Bedürfnissen beherrscht werden, die sich in ihrer eigenen Haut nicht wohlfühlen und immer noch die Haut des anderen brauchen, um ihnen Schutz und Umhüllung zu gewähren.
Den Körper zu bewohnen ermöglicht uns, die Leichtigkeit von Begehren, Ausdruck, Beziehung, Bewegung, von Fühlen, Denken und Sein zu erfahren – mit anderen Worten: das „Wohlfühlen in der eigenen Haut“.Wenn die erste Schöpfung des Kindes sein eigener Körper ist, ermöglicht die psychomotorische Praxis den Kindern, sich in Beziehung selbst und neu zu erschaffen, sich neu zu gestalten und zu verwandeln, kurz gesagt, sich physisch und psychisch zu nähren durch ihr eigenes Handeln in einem speziell dafür vorgesehenen Raum.Barfuß, damit man die Stützpunkte spüren kann,
Wenn wir die Kinder fragen, haben sie keinen Zweifel: Es gibt nur einen Ort, der so ist – der Psychomotorik-Raum.Überarbeiteter Beitrag aus „Praxis der Psychomotorik“ 4/2015, 204–211Übersetzung:
Literatur
Anzieu, D. et. al. (1993): Les contenants de pensee. Paris: Dunod.
Aucouturier, B. (2006): Der Ansatz Aucouturier – Handlungsfantasmen und psychomotorische Praxis. Bonn: proiecta Verlag.
Freud, S. (1974): Gesammelte Werke. Das „Ich“ und das „Es“. Madrid: Editorial Biblioteca Nueva.
Gauberti, M. (1993): Mère-enfant: à corps et à vie: Analyse et thérapies psychomotrices des interactions précoces. Paris: Masson.
Oiberman, A. und Mercado, A. (2007): Nacer, jugar y pensar. Guía para acompañar a los bebés. Buenos Aires: Lugar Editorial.AutorinMary Angeles Cremades Carceller, klinische Psychologin und Psychomotorik-Therapeutin der ASEFOP. Sie gründete das spanische Ausbildungsinstitut für Psychomotorische Praxis Aucouturier in Madrid. Von 2009 bis 2019 war sie Präsidentin der ASEFOP.cefopp@cefopp.com