Mit Schwung durch den Alltag
Bewegung ist wichtig, um sich fit zu halten, Krankheiten vorzubeugen und die Lebensqualität zu verbessern. Bewegungsmangel ist eines der bedeutsamsten gesellschaftlichen Gesundheitsrisiken für nicht übertragbare Krankheiten.
Obwohl nachweislich Menschen mit geistiger Behinderung stärker unter Bewegungsmangel leiden als die Allgemeinbevölkerung, sind Konzepte rar, die die Bedürfnisse dieser Personengruppe berücksichtigen. Das Forschungsprojekt „Förderung von Bewegungsfähigkeiten und körperlicher Aktivität von Menschen mit geistiger Behinderung“ hat sich dieser Lücke gewidmet. Für die Entwicklung eines bedürfnisorientierten, praxisnahen Konzepts wurde die wissenschaftliche Perspektive mit der Perspektive von Mitarbeiter*innen der Lebenshilfe Brakel und der Nutzer*innen vereint.
Wissenschaftliche Perspektive
Präventionsangebote finden Akzeptanz, wenn lebensweltliches Wissen und Bedürfnisse im gesamten Prozess einbezogen sind. Daher war es das Ziel, die Perspektive der zukünftigen Nutzer*innen zu erfassen und einzubinden. Hierfür wurden 24 Interviews zu Strategien und Bedarfen für Alltagsbewegungen mit möglichen Nutzer*innen des Konzepts geführt. Es bestätigte sich, dass die gleichen Probleme wie in der Allgemeinbevölkerung vorherrschen. Häufig waren die Befragten motiviert, allerdings wurde die Umsetzung im Alltag als herausfordernd beschrieben. Befragte berichteten von dem erschwerten Zugang zu bestehenden Programmen. Gewünscht wurden verständliche Materialien, die zu Bewegung anregen und eigene Entscheidung für Bewegung im Alltag ermöglichen. Seit Beginn des Projekts fungierten zukünftige Nutzerinnen als Expertinnen. In einer Planungsgruppe wurden alle Projektschritte besprochen. Hier wurde der Titel des Konzepts bestimmt („Mit Schwung und Energie durch den Tag“) und Informationsveranstaltungen für Menschen in der Lebenshilfe Brakel wurden geplant und durchgeführt. Zur Planungsgruppe gehörten zwei zukünftige Nutzerinnen, die Projektkoordinatorin der Lebenshilfe sowie ein Wissenschaftler. In einer Forschungs-AG wurden gemeinsam mit möglichen Nutzer*innen die Datenerhebung und Interpretation der Ergebnisse im Rahmen der Interventionsentwicklung und -modifizierung besprochen. Dies führte dazu, dass der Zugang zu den Interviewpartner*innen erleichtert, relevante Themen identifiziert und mögliche Vorbehalte der Zielgruppe besprochen wurden.
Perspektive von Mitarbeiter*innen
„Ich kann kein Bewegungsprojekt starten, wenn es Barrieren gibt. Das heißt, ich muss die Leute da abholen, wo sie stehen“, erläutert Christina Ising, Projektkoordinatorin der Lebenshilfe Brakel. Ergebnisse der Forschenden wurden stets in einer für die Betroffenen angemessenen Darstellungsweise visualisiert. „Wir haben versucht zu verdeutlichen, dass es im Alltag zahlreiche Chancen gibt, sich zu bewegen“, erläutert Ising. „Wir wollten so die Motivation stärken, sich aktiv damit auseinanderzusetzen und zu überlegen, wie man diese in das eigene Leben einbauen kann.“ Wie kann ich mich jeden Tag bewusst für einen körperlich aktiven Lebensstil entscheiden?“ Oder: „Wie mache ich Bewegung und wie mache ich sie richtig?“ Hierfür stehen zwölf Broschüren in vier Modulen bereit, mit Informationen, Übungen zum Ausprobieren und Entscheidungshilfen. Egal ob Yoga, Spazierengehen oder Fahrradfahren – Nutzer*innen setzen sich eigene Ziele und erstellen gemeinsam mit von ihnen selbst ausgewählten Unterstützer*innen einen Wochenplan, der sie auf dem Weg zu einem aktiven Lebensstil unterstützt. Im Vordergrund bei alledem: Spaß an der Bewegung und keine Überforderung! „Wir dürfen die Lebenswelt und das Selbstbestimmungsrecht der Leute nicht vergessen!“, so Ising. „Sie sollen selbst entscheiden, was gut für sie ist!“
Perspektive einer Nutzerin
„Es ist schön, dass ich auf dem Plan noch mal sehe, was ich machen kann, und dann mache ich das auch“, sagt Franziska Heidrich, Nutzer*in und Mitglied der Planungsgruppe. „Ich fühle mich jetzt schon wohler als vor dem Projekt. Durch die Bewegung bin ich ein anderer, selbstbewussterer Mensch geworden.“ Ich freue mich, dass ich mitwirken konnte, an einem Projekt, bei dem es hoffentlich bei der Nutzung so vielen anderen Personen so geht wie mir.“