Der mühsame Weg zur inklusiven Stadt
Eine Stadtentwicklung im Rahmen des Projektes „Kommune Inklusiv“
Inklusion ist eine Herausforderung, die nicht nur auf Menschen mit Behinderung ausgerichtet ist; vielmehr verfolgt Inklusion einen umfassenden gesellschaftlichen Anspruch. Damit ist Inklusion auch verbunden mit den Leitbegriffen Partizipation und Teilhabe, die auf die Möglichkeit zur aktiven Beteiligung aller abzielen. Die mit diesen Begriffen umschriebenen Ambitionen hat Aktion Mensch mit seinem Projekt „Kommune Inklusiv“ aufgegriffen. Mit seiner Initiative will Aktion Mensch einen besonderen kommunalen Bezug herstellen, um den entsprechenden Herausforderungen einzelner Kommunen zu begegnen.
Für das ursprünglich für den Zeitraum 2016-2021 ausgeschriebene Projekt hatten sich rund 130 Sozialräume in ganz Deutschland beworben. Ausgewählt wurden letztlich fünf modellhafte Sozialräume, bei denen Aktion Mensch die Umsetzung von Inklusion begleiten wollte. Hierzu wurden die Kommunen finanziell und durch Prozessbegleitung unterstützt, um Lebens- und Arbeitsumfelder inklusiv zu gestalten. Das Projekt verfolgt das Ziel, die ausgewählten Kommunen dabei zu begleiten und zu unterstützen, gezielt Maßnahmen zu verwirklichen sowie Netzwerk- und Arbeitsstrukturen und inhaltliche Lösungsansätze zu erarbeiten. Weiteres Ziel ist es, dass daran anschließend bundesweit Kommunen vom Erfahrungsschatz dieser Modellkommunen profitieren, indem diese ihre Ergebnisse weitergeben und so anderen Städten, Gemeinden und Kreisen ermöglichen, sich zu orientieren und ihre Inklusionsarbeit noch effektiver zu gestalten.
Folgende Modellkommunen wurden seinerzeit ausgewählt: Erlangen, Verbandsgemeinde Nieder-Olm, Rostock, Schneverdingen und Schwäbisch Gmünd. Der folgende Beitrag beschreibt mit Blick auf die Stadt Schwäbisch Gmünd Erfahrungen und Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Modellprojekt und skizziert Perspektiven für eine weitere inklusive Gestaltung der Stadt.
Einflüsse der deutschen Inklusionsbewegung
Maßgeblich vorangebracht hat Andreas Hinz die Inklusionsbewegung in Deutschland. Als Professor für Allgemeine Rehabilitations- und Integrationspädagogik unterstrich er seit Langem die Ausrichtung von Inklusion auf ein weites gesellschaftliches Feld, das neben Menschen mit Behinderung weitere soziale Gruppen mitdenkt und das Miteinander unterschiedlichster Mehr- und Minderheiten — und damit diverse Dimensionen von Heterogenität — in den Mittelpunkt eines weiten Inklusionsverständnisses stellt (HINZ 2002). Im Jahr 2011 gab die in Bonn ansässige „Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft“ das Praxishandbuch „Inklusion vor Ort. Ein kommunaler Index für Inklusion“ heraus (MSJG 2011). Erfahrungen aus der kommunalen Praxis sind ferner eingegangen in einen weiteren Band, der 2018 unter dem Titel „Inklusion ist machbar!" erschienen ist (MSJG 2018).
Auch Aktion Mensch legte seinem Projekt den weiten Inklusionsbegriff zugrunde, der von Anfang an Ausgangspunkt der Überlegungen und Aktivitäten war: „Jeder Mensch soll sich gleichberechtigt und unabhängig von Behinderung, sozialer Herkunft, Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung oder sonstiger individueller Merkmale und Fähigkeiten an allen gesellschaftlichen Prozessen beteiligen können.“
Für die Aktivitäten in Schwäbisch Gmünd bedeutete dies, dass neben Menschen mit geistiger, seelischer und körperlicher Behinderung sowie Menschen mit Seh- und Hörbehinderung auch insgesamt Kinder und Jugendliche berücksichtigt werden sollen. Als besondere Handlungsfelder wurden die Bereiche Arbeit, Freizeit, Sport und außerschulische Bildung gesetzt. Den Akteuren im Projekt ging es dabei aber nicht „nur“ um die Umsetzung einzelner Maßnahmen für entsprechende Zielgruppen. Vielmehr sollte es im ganzheitlichen und umfassenden Sinne letztendlich um das „Große Ganze“ gehen. Darum, den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Schwäbisch Gmünd zu stärken und Schwäbisch Gmünd darin zu begleiten, eine inklusive Kommune, eine Stadt für Alle zu sein (SCHWÄBISCH GMÜND 2020a).
Gmünder Stationen in der Anfangsphase
In Schwäbisch Gmünd hatte sich um das Projekt Kommune Inklusiv eine dort gebildete Steuerungsgruppe beworben. Diese gründete kurz darauf einen Verein, in dem sich die beteiligten Träger, Einrichtungen, Verwaltungen und Vereine gemeinsam engagieren: der Verein zur Förderung der Inklusion in Schwäbisch Gmünd e.V.
Ab Mitte 2017 erarbeiteten die Steuerungsgruppe Inklusion und der neu gegründete Verein einen differenzierteren Projektantrag, in dem sich alle Zielgruppen, Träger, Vereine und Initiativen — mit entsprechenden Handlungsfeldern und Maßnahmen — in einem gemeinsamen Vorhaben wiederfanden. Dieser Antrag wurde bewilligt und eine Förderung des Projektes für den Zeitraum 01.07.2018 bis 30.06.2023 zugesagt.
Die vom Gemeinderat 2019 beschlossene Gmünder Charta der Gemeinsamkeiten (SCHWÄBISCH GMÜND 2019) ist im eigentlichen Projekt Kommune Inklusiv kein hervorgehobenes Element. Dennoch gehört die Charta im Rahmen einer aktuellen Rückschau auf die Prozessabläufe und die ganzheitliche bzw. übergreifende Ausrichtung der Herausforderung „Inklusion“ sowie Partizipation und Teilhabe ebenfalls zum Kontext einer „Kommune Inklusiv“. Denn schließlich haben an der Entwicklung und Ausarbeitung dieser Charta rund 400 Bürgerinnen und Bürger mitgearbeitet. Sie hat mit ihren einzelnen thematischen Schwerpunkten für die Stadtgemeinschaft einen nicht zu übersehenden Stellenwert. Ganz im Sinne von „Kommune Inklusiv“ ist auch die Art Präambel dieser Charta, die den einzelnen zwölf Aspekten vorangestellt ist: „Schwäbisch Gmünd bietet mit seiner über 850-jährigen Stadtgeschichte Heimat für die hier lebenden Menschen. Alle, die hier leben, übernehmen Verantwortung für ihre Mitbürger und ihre Stadt. Wir sind alle Teil einer demokratischen, rechtsstaatlichen, liberalen, gleichberechtigten und sozialen Gesellschaft auf dem Fundament unseres Grundgesetzes. Diese Charta bildet die Grundlage unseres Zusammenlebens in der Stadtgemeinschaft. Sie gründet auf Offenheit, Respekt und Toleranz auf allen Seiten.“ (SCHWÄBISCH GMÜND 2020b)
Mitgestaltung der Kommune durch Bürgerbeteiligung und Ehrenamt
Was zeichnet den Weg zu einer inklusiven Kommune aus? Was sind dabei besondere Gesichtspunkte bei abzustimmenden Prozessen? Und welchen Stellenwert hat dabei bürgerschaftliches und ehrenamtliches Engagement? In diesem Beitrag können lediglich Aktivitäten in der zugrundeliegenden Stadt Schwäbisch Gmünd skizziert werden. Grundlegendes zum ehrenamtlichen Engagement und zur Bedeutung solcher Aktivitäten für eine Kommune ist im „Dritten Engagementbericht“ ausgeführt (BMFSFJ 2020). Durch die Bewilligung des Projektantrages und die darin vorgenommenen Aktionen und Handlungsfelder war für Schwäbisch Gmünd ein bestimmter Rahmen abgesteckt. Dass die Bürgerschaft von Schwäbisch Gmünd bei den dafür zu planenden Aktivitäten nicht „bei Null“ anfangen musste, hängt besonders auch mit folgender Tatsache zusammen: Schon seit geraumer Zeit engagieren sich Bürgerinnen und Bürger in der Stadtgemeinschaft durch ehrenamtliche Aktivitäten, durch welche sie in verschiedenen Formen und Anlässen der Bürgerbeteiligung partizipieren und teilhaben können.
Aus der jüngeren Zeit lassen sich dazu folgende Beispiele aufzeigen:
2012: Über 1500 Bürgerinnen und Bürger der Stadt beteiligen sich ehrenamtlich bei der Vorbereitung und Aufführung der Staufersaga, ein von Stephan Kirchenbauer-Arnold (†) geschriebenes und als Freiluft-Aufführung in Szene gesetztes historisches Epos anlässlich der 850-Jahr-Feier der Stauferstadt.
2012: Die Stadtverwaltung startet einen umfassenden Bürgerdialog zum Thema „Tunnelfilter beim Einhorn-Tunnel in Schwäbisch Gmünd“. Vergleichbar dem öffentlichen Schlichtungsverfahren zum umstrittenen Bahnprojekt „Stuttgart 21“ (in 2010 moderiert von Heiner Geißler) findet ein über viermonatiger Tunneldialog mit mehreren öffentlichen Sitzungen und mit einem hochkarätig besetzten Runden Tisch statt. Neben der Berücksichtigung von qualifizierten Fachgutachten ist eine Bürgerbeteiligung in allen Phasen des Tunneldialogs möglich.
2013: Die Stadt Schwäbisch Gmünd und das Landratsamt Ostalbkreis gründen gemeinsam das „Bündnis für Menschlichkeit“, um die Unterstützung von Geflüchteten anhand eines Zwölf-Punkte-Plans und entsprechenden Leitlinien zu organisieren. Daraus geht der sogenannte „Gmünder Weg“ hervor, der durch ein weit gespanntes Netzwerk umgesetzt wird, um die gesamtgesellschaftliche Aufgabe vor Ort auf vielen Schultern zu verteilen (SCHWÄBISCH GMÜND o.J., SCHWÄBISCH GMÜND 2016).
2014: Über 1300 Ehrenamtliche beteiligen sich bei der Vorbereitung und Umsetzung der Landesgartenschau. Der Funke einer bürgerschaftlichen Begeisterung springt im fast siebenmonatigen Zeitraum der Landesgartenschau auf über 2 Millionen Besucherinnen und Besucher über.
2016: Bei der Wiederaufführung der Staufersaga engagieren sich erneut über 1000 begeisterte Gmünderinnen und Gmünder ehrenamtlich.
2019: Bei der über fünf Monate lang dauernden Remstal Gartenschau, bei der sich alle Kommunen entlang der 80 Kilometer langen Rems beteiligen, engagieren sich in Schwäbisch Gmünd über 500 Ehrenamtliche.
2022: Bei einer Neufassung sind erneut weit über 500 ehrenamtlich Aktive bei der Vorbereitung und Umsetzung der „Momente der Staufersaga“ anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Urfassung einbezogen.
Blickt man auf derartiges Engagement, kann man gut nachvollziehen, wenn der Gmünder Oberbürgermeister Richard Arnold sehr gern von „seiner“ Stadt als der Stadt des Ehrenamtes spricht. Und in solchen ehrenamtlichen Aktivitäten engagieren sich auch Bürger, die als Geflüchtete nach Schwäbisch Gmünd gekommen sind und hier durch den weit über Schwäbisch Gmünd hinaus bekannt gewordenen „Gmünder Weg“ von Geflüchteten zu Bürgern wurden (SCHWÄBISCH GMÜND 2016a).
Wenn man heute mit Besucherinnen und Besuchern der Stadt spricht, wird häufig eine besondere Freundlichkeit und Offenheit der Bürgerschaft betont. Ein Eindruck — bei entsprechender Nachfrage —, der wesentlich mit dem breit angelegten ehrenamtlichen Engagement in der Bevölkerung zusammenhängt.
Buntes Netzwerk im Projekt
Durch die Gründung des Vereins zur Förderung der Inklusion in Schwäbisch Gmünd e.V. hat sich eine Zusammenarbeit verschiedener Organisationen und Initiativen ergeben. Zum Netzwerk gehören derzeitig folgende Mitglieder:
- Lebenshilfe e.V. Schwäbisch Gmünd,
- Vinzenz von Paul gGmbH,
- Stadtverband Sport Schwäbisch Gmünd e.V.,
- Gemeindepsychiatrie im Ostalbkreis e.V.,
- Stadt Schwäbisch Gmünd,
- Hospitalstiftung zum Heiligen Geist Schwäbisch Gmünd,
- Stiftung Haus Lindenhof,
- Habila GmbH,
- Canisius gGmbH,
- DRK Kreisverband Schwäbisch Gmünd e.V.,
- Diakonie Stetten und
- Ostalbkreis.
Dieser Zusammenschluss unterstreicht auch das über die Thematik Behinderung hinausgehende Selbstverständnis der im Netzwerk engagierten Akteure. So sind u.a. auch schulische und außerschulische Bildungsaktivitäten einbezogen, sportliche und auf Gesundheit ausgerichtete Angebote sowie Initiativen, die sich besonders mit Menschen mit Migrationshintergrund sowie mit Geflüchteten befassen. Und dieser Zusammenschluss macht deutlich, wie vielfältiges Engagement — dabei auch das zuvor beschriebene ehrenamtliche — eine Grundlage für weitere Aktivitäten bildet. Für die einzelnen Schwerpunkte haben die in Gmünd Beteiligten fünf Handlungsfelder mit entsprechenden Zielgruppen vorgesehen:
1. Soziale Kontakte für Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung im stationären Bereich
2. Arbeit für Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung und sogenannter seelischer Behinderung
3. Soziale Kontakte für Menschen mit sogenannter seelischer Behinderung, die insbesondere in ambulante, teilstationäre und stationäre Kontexte eingebunden sind
4. Sport für Menschen mit sogenannter geistiger, seelischer und körperlicher Behinderung sowie für Menschen mit sogenannter Hör- und Sehbehinderung
5. Außerschulische Bildung für Kinder und Jugendliche in prekären Lebenssituationen.
Aktivitäten und Erfahrungen in Schwäbisch Gmünd
Die Vereine und Organisationen im Netzwerk setzen im gesamten Projektzeitraum von „Kommune Inklusiv“ sehr viele Aktivitäten um. Aufgrund der Corona-Pandemie konnten in 2020 und 2021 verschiedene Vorhaben nicht realisiert werden oder mussten abgewandelt bzw. verschoben werden. Dennoch verdeutlicht insgesamt eine sehr lange Liste, mit welcher Bandbreite einzelne Maßnahmen im Projekt aufgegriffen wurden und wie sehr dabei der Anspruch von Teilhabe und Partizipation bedeutsam war. Hieraus einige Auszüge:
- In den Arbeitsgruppen, die mit den zuvor beschriebenen fünf Handlungsfeldern korrespondieren, arbeiten über 44 Personen aus 25 Einrichtungen partizipativ zusammen. Bei den regelmäßigen Treffen geht es unter anderem darum, soziale Verbindungen durch geplante Veranstaltungen zu fördern.
- Organisation und Durchführung der Veranstaltung „Politik in leichter Sprache“ als Podiumsdiskussionen zur Landtagswahl 2021 und zur Kommunalwahl 2024.
- Organisation und Durchführung eines Angebotes der Erwachsenenbildung für politisches Engagement im Sozialraum durch Bewohner der Stiftung Haus Lindenhof sowie ein Treffen mit dem neuen Ersten Bürgermeister von Schwäbisch Gmünd.
- Podcasts zum Thema Inklusion aus verschiedenen Lebens- und Arbeitsbereichen der Stadt Schwäbisch Gmünd.
- Konzeptionsarbeit zur Teilhabe für Bewohner im stationären Bereich mit Vertretern der Lebenshilfe und der Stiftung Haus Lindenhof.
- Fachvortragsreihe „seelische Gesundheit“ z.B. über Depression, Tourette-Syndrom, Schizophrenie oder Autismus oder auch über Burn-Out und Bipolar.
- Selbsthilfegruppe „Aktiv trotz Depression“ mit alternativen Austauschmöglichkeiten trotz Kontaktsperre.
- Zwei Kunstaustellungen unter dem Titel „einzigARTig“, um Kunstwerke psychisch erkrankter Menschen in öffentlich zugänglichen Räumen auszustellen; die Ausstellung war auch virtuell / online erlebbar. Als Fortführung und nachhaltige Erweiterung hat sich ein Künstler-Stammtisch ergeben, der sich nun regelmäßig trifft.
- I-Mobil Tag: Bei dieser Aktion dürfen etwa 100 Menschen mit Behinderungen auf einem Privatparkplatz einer Firma in Fahrschulautos und -LKWs einen Tag lang fahren.
- Hilfeangebote und Anlaufstellen für Menschen mit psychischer Erkrankung in Schwäbisch Gmünd: Erstellen einer regelmäßig zu aktualisierenden Infobroschüre zur Orientierung und als Übersicht für betroffene psychisch erkrankte Menschen, deren Angehörige, professionelle Helfer und sonstige Interessierte.
- Best-Practice-Preis für Institutionen / Firmen, die bemerkenswert ‚inklusiv agieren‘ im Hinblick auf das Anbieten von Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderungen.
- Hilfsangebote für „psychisch erkrankte Eltern“: eine handlungsfeldübergreifende Projekt-Kooperation zwischen den Bereichen „seelisch behinderte Menschen“ sowie „Kinder und Jugendliche in prekären Lebenssituationen“.
- Empowerment-Seminare, die lokal für alle Menschen und Maßnahmen konzipiert sind und Grundlagen zur besseren selbstverantwortlichen und selbstbestimmten Vertretung von Interessen vermitteln. So lernen z.B. Menschen mit Behinderung im Seminar für Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter, wie man sich für andere Menschen und sich selber einsetzen und mitwirken kann.
- Inklusiver Kick: Bei diesem Angebot spielen gemischte Gruppen – mit und ohne Behinderungen – in einem Fußballturnier, bei dem es um den Spaß und nicht um das Gewinnen geht. Diese Veranstaltung ist auch Schwäbisch Gmünd nicht mehr wegzudenken.
- Planung und Durchführung einer Aufbau-Fortbildungsveranstaltung für Übungsleiter von inklusiven Sportangeboten.
- Beteiligung an der barrierefreien Gestaltung der Broschüre „Gmünder – Sport – Spaß“. Die Broschüre enthält Veranstaltungsangebote und liegt im Altkreis Gmünd bei allen Hausärzten und Apotheken aus und ist außerdem online auf der Homepage der Stadt Schwäbisch Gmünd verfügbar.
- Planung und Durchführung einer Fortbildung für die Bürgerschaft in Gebärdensprache.
- Erstellen eines Stadtführers in Kooperation mit entsprechenden Fachleuten in einfacher Sprache als Broschüre — mit zwei ausgewählten Routen einer Stadtführung. Eine Vertonung besonders für Menschen, die nicht lesen können, und für Menschen mit Sehbehinderung ist in Planung.
- Wahrgenommene Zugangsbarrieren zu Angeboten wurden von Teilnehmenden der Arbeitsgruppe „Außerschulische Bildung für Kinder und Jugendliche in prekären Lebenssituationen“ erarbeitet.
- Gesprächskreise als „Online-Plauderstündchen“ für junge geflüchtete oder migrierte Mädchen mit dem Ziel, das Sprechen der deutschen Sprache zu üben.
- Planung und Durchführung des inklusiven Projektes „Jugend in Bewegung“. Das Angebot umfasst verschiedene Sportangebote wie Bogenschießen, Selbstverteidigung, Parkour und Rolliparkour.
Wissenschaftliche Begleitung auf drei Ebenen
Aktion Mensch hat bei dem Konzept für die Initiative Kommune Inklusiv u.a. eine wissenschaftliche Begleitung einbezogen. Diese wurde durch die Goethe-Universität Frankfurt und die Philipps-Universität Marburg umgesetzt (TRESCHER u.a. 2022). Ihre Aufgabe war es, Wirkung und Verlauf des Modellprojektes auf drei Forschungsebenen zu untersuchen: Ebene 1 befasst sich mit Maßnahmen (Prof. Hendrik Trescher u.a., Uni Marburg), Ebene 2 untersucht die Sozialräume (Prof. Trescher u.a., Uni Marburg) und Ebene 3 blickt durch Einzelinterviews auf die Menschen (Prof. Dieter Katzenbach u.a., Uni Frankfurt).
Bei den Untersuchungen auf Ebene 1 geht es dem Wissenschaftsteam darum, wie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die einzelnen Maßnahmen im Projekt wahrnehmen. Im Kern blickt das Team auf die in den Sozialräumen zur Förderung von Inklusion entwickelten und durchgeführten Angebote. Leitende Fragen im Rahmen von Fragebögen sind dabei u.a.: Welchen Nutzen hat eine konkrete Maßnahme für die Teilnehmerschaft? Wo sehen Teilnehmerinnen und Teilnehmer Weiterentwicklungspotenziale für die Maßnahme? Wo sieht die Teilnehmerschaft Weiterentwicklungspotenziale für den Sozialraum insgesamt?
Auf der zweiten Ebene analysiert das Forscherteam, welche Besonderheiten und Bedarfe die Modellkommunen hinsichtlich Inklusion aufweisen, wie der Vernetzungs- und Umsetzungsprozess vor Ort wirkt und inwieweit sich die Teilhabemöglichkeiten verändern – ob die Kommunen also inklusiver werden oder nicht. Hier geht es u.a. um folgende Leitfragen: Wie wirken die einzelnen Maßnahmen im jeweiligen Sozialraum? Wie wirkt die Initiative Kommune Inklusiv als Ganze im jeweiligen Sozialraum? Wie verändert sich der Sozialraum über längere Zeit mit und durch die Bereitstellung inklusiver Angebote? Ermittelt werden Aussagen bzw. Ergebnisse dazu durch persönliche Befragungen, durch Online-Befragungen von Bildungseinrichtungen, durch telefonische Befragungen von Verantwortlichen in Freizeiteinrichtungen sowie durch ethnographische Sozialraum-Begehungen.
Auf der dritten Ebene beleuchtet das Wissenschaftlerteam die Perspektive derjenigen, die vor Ort von Ausgrenzung bedroht oder betroffen sind. Dokumentiert werden die Fragen, Schwierigkeiten und Erfahrungen dieser Menschen im Laufe der Modellinitiative. Bei den sogenannten qualitativen Interviews geht es vor allem um folgende Aspekte: Wie wirken sich die durch Kommune Inklusiv initiierten Veränderungen auf die Menschen aus, die im Sozialraum von Ausschluss bedroht oder betroffen sind? Welche Schlüsse lassen sich aus diesen Erfahrungen für die Umsetzung von Inklusion ziehen? Befragt werden u.a. Menschen, die im jeweiligen Sozialraum für das Modellprojekt als Zielgruppe definiert sind. Dabei werden auch diejenigen berücksichtigt, die innerhalb dieser Zielgruppen aktiv als Selbstvertreterinnen bzw. Selbstvertreter handeln.
Ausgewählte Ergebnisse aus wissenschaftlicher Sicht
Im Rahmen dieses Beitrags können nur wenige ausgewählte Hinweise aus dem wissenschaftlichen Abschlussbericht erwähnt werden. Dabei sollen weniger Details und einzelne Prozentangaben bezogen auf konkrete Fragen und Gesichtspunkte berücksichtigt werden (hier empfiehlt sich ein eingehendes Studium des Abschlussberichtes — TRESCHER u.a. 2022). Vielmehr geht es um das Aufzeigen von neuralgischen Punkten, die gleichzeitig auch Herausforderungen für die weitere Arbeit darstellen. Zu berücksichtigen ist an dieser Stelle aber auch, dass die aufgezeigten Hinweise auf dem Stand von 2022 sind.
Bezogen auf eine allgemeine Vergleichsebene stellt der Abschlussbericht heraus, dass die Maßnahmen, die im Rahmen des Projekts angestoßen wurden, vielen Teilnehmenden gefallen. „Besonders deutlich zeigt sich dies in Schwäbisch Gmünd. Negative Rückmeldungen bleiben fast gänzlich aus.“ (TRESCHER u.a. 2022, 10). Im Versuch einer kurzen Analyse unterstreicht der Bericht einerseits, dass dies „positiv gesehen werden“ kann. „Andererseits scheint die Einseitigkeit der positiven Rückmeldungen aber auch Ausdruck dessen zu sein, dass in der Breite der Angebote eher keine Menschen erreicht wurden, die den gewählten Themen/Inhalten ggf. auch kritisch(er) gegenüberstehen.“ (a.a.O.)
Mit Blick auf öffentliche Orte und Barrierefreiheit stellt der Abschlussbericht heraus: „Mit Blick auf die Gesamtergebnisse wird deutlich, dass in allen fünf Sozialräumen bereits ein gewisses Bewusstsein für diverse Zugangsbedarfe besteht und auch einiges dafür unternommen wurde, barrierefreie Teilhabe zu ermöglichen.“ (TRESCHER u.a. 2022, 19) Aber auch hier problematisieren die Wissenschaftler: „Entwicklungspotenzial zeichnet sich in allen fünf Sozialräumen dahingehend ab, dass kein öffentlicher Ort verzeichnet wurde, der in allen untersuchten Dimensionen einschränkungslos barrierefrei genutzt bzw. begangen werden kann (dies betrifft sowohl Internetseite, Ort und Angebot als auch die fünf untersuchten Ausprägungen von Barrierefreiheit: Mobilität, Sehen, Hören, Lesen/Verstehen, Fremdsprache (englisch)). Barrieren liegen also vielfach und in zahlreichen Dimensionen vor.“ (TRESCHER u.a. 2022, 20)
Im Zusammenhang mit Barrierefreiheit verdeutlichen die Wissenschaftler aber auch als Problemfeld: Einsamkeit. „Ein zentrales Ergebnis der zweiten ethnographischen Sozialraumbegehungen ist, dass Menschen in den untersuchten Sozialräumen Einsamkeit erleben. Diese Empfindungen und Erfahrungen sind mit dafür verantwortlich, dass bestimmte Personen nur eingeschränkt am Leben in ihrem Sozialraum, also dem Ort, dem sie sich – mehr oder weniger – zugehörig fühlen, teilhaben können. Einsamkeit wird insofern als Teilhabebarriere wirksam.“ (TRESCHER u.a. 2022, 22)
In ihrer abschließenden Analyse unterstreicht das Wissenschaftsteam sowohl die Komplexität der gesamten Thematik und insbesondere auch die Besonderheiten und Eigenarten der Sozialräume. „Dem weiten Inklusionsbegriff folgend wurde sich nicht nur auf die Differenzkategorie Behinderung beschränkt: Alle Modellkommunen haben weitere Zielgruppen definiert. Und zudem musste immer wieder entschieden werden, auf welcher gesellschaftlichen Ebene Maßnahmen und Initiativen angesiedelt sein sollen: Wird die Stadtgesellschaft als Ganze durch Öffentlichkeitsarbeit angesprochen, zielt man auf die Ebene der politischen Entscheidungsträger, geht es um die Vernetzung innerhalb der kommunalen Verwaltung, kooperiert man mit den im Sozialraum etablierten Trägern wohlfahrtsstaatlicher Hilfen, bemüht man sich um die Einbindung einflussreicher zivilgesellschaftlicher Akteure oder arbeitet man direkt mit den Personen aus der Zielgruppe zusammen?“ (TRESCHER u.a. 2022, 82) Allein diese in eine Frage übertragenen Teilaspekte des Projektes bedeuten auch für die Stauferstadt: „Viele Adressat:innengruppen und Ziele gleichzeitig zu bedienen, erweist sich als nicht oder nur schwer umsetzbar. Es müssen Entscheidungen für bestimmte Probleme bzw. Anliegen getroffen werden, was zugleich heißt, dass sich gegen die Bearbeitung anderer entschieden werden muss. Dies wiederum hat Einfluss darauf, wie bestimmte Menschen/ Gruppen/ Organisationen dem Projekt begegnen und wie sich das Netzwerk des Projekts zusammensetzt…“ (a.a.O.). Verbunden sind diese Aussagen mit der Empfehlung, „kleinere (Teil-)Ziele in einem abgesteckten Zeitraum für wenige bzw. einzelne Zielgruppen“ zu bestimmen. Außerdem müssen sich die Akteure vor Ort in den Sozialräumen immer die Fragen stellen, „an welche gegebenen Strukturen (ggf. nicht) angeknüpft werden sollen und wie sich zu Ambivalenzen von Inklusion verhalten wird – etwa zum Spannungsverhältnis der Reproduktion von Differenzkategorien einerseits und dem Anspruch auf Empowerment andererseits“ (a.a.O.). Eindeutig stellt der Abschlussbericht in diesem Zusammenhang heraus, dass der inklusive Anspruch des Projekts ja gerade nicht verlangt, „dass sich die sogenannten Zielgruppen zu verändern hätten, sondern dass Barrieren abgebaut werden, die die Teilhabe und das alltägliche Zusammenleben erschweren oder gar verhindern…“. Und hierzu sei es „zwingend notwendig, die Zivilgesellschaft zu adressieren und eine Bewusstseinsänderung in der breiten Öffentlichkeit zu bewirken“ (a.a.O.). Ein Appell, der im Folgenden und insbesondere als Perspektive für Schwäbisch Gmünd noch einmal aufgegriffen wird.
Perspektiven und weitere Herausforderungen
Schwäbisch Gmünd wird sich auch in Zukunft „Kommune inklusiv“ nennen. Diese Entscheidung wird von Aktion Mensch unterstützt. Erfahrungen aus dem Projekt „Kommune Inklusiv“ sollen weitere Aktivitäten in der Stauferstadt inspirieren. So soll das Projekt „Mittendrin: gemeinsam — stark — vernetzt“ die Teilhabe von Menschen mit einer geistigen, seelischen und körperlichen Behinderung, Menschen mit Hör- und Sehbehinderung sowie Kindern- und Jugendlichen am Leben in der Stadt Schwäbisch Gmünd und Umland noch deutlicher verbessern.
Der Verein zur Förderung der Inklusion in Schwäbisch Gmünd hat in den vergangenen Jahren mit dem Projekt Kommune Inklusiv Aktivitäten rund um Inklusion vorangebracht und intensiviert und dabei einiges für die Kommune sowie die Bürgerinnen und Bürger erreicht. Doch die Teilhabe der Zielgruppen und auch eine Umsetzung von Inklusion auf der Basis eines weiten Inklusionsbegriffes sind auch in Schwäbisch Gmünd noch nicht überall gegeben. So haben kritische Blicke auf das Erreichte auch deutlich gemacht, dass weiterhin ein großer struktureller Entwicklungsbedarf besteht. Dies berücksichtigend, soll der zukünftige Schwerpunkt der Inklusionsarbeit in Schwäbisch Gmünd auf der Stärkung von Inklusion durch Ehrenamt, Partizipation und Barrierefreiheit gelegt werden. Hierfür soll ein zentraler Begegnungsort für Alle geschaffen und Inklusion durch Ehrenamt, politische Partizipation und barrierefreie Veranstaltungen ermöglicht werden.
Als zentrales Element für die Umsetzung ist geplant, mitten in der Stadt einen Ort „Mittendrin“ zu gründen und diesen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So könnten die Themen Inklusion und Ehrenamt dort sichtbar gemacht und ein barrierefreier Ort der Begegnung, Vernetzung und Kommunikation geschaffen werden. Diese Räumlichkeiten sollen verschiedenen Zielgruppen zur Verfügung stehen: Ehrenamtlichen, Kooperationseinrichtungen, weiteren sozialen Trägern und Vereinen, aber auch der Bürgerschaft insgesamt – also allen in Schwäbisch Gmünd und im Umland. Der „Mittendrin“-Treffpunkt soll Räumlichkeiten zur Verfügung stellen wie einen Workshop-Raum, einen Besprechungsraum, eine barrierefreie Teeküche und Büros für das Projektteam.
Für den Aufbau einer tragfähigen und nachhaltigen Struktur im Ehrenamt ist eine enge Zusammenarbeit mit der Abteilung Bürgerschaftliches Engagement der Stadt Schwäbisch Gmünd wichtig. So können verstärkt auch Ehrenamtliche für das Thema Inklusion gewonnen werden. Für den zunächst geplanten Projektzeitraum soll daher eine weitere Personalstelle für die Ehrenamtskoordination geschaffen werden. Diese könnte sozialräumlich tätig werden und dabei eine Vernetzung aller Einrichtungen und Vereine intensivieren, die sich um die Belange der Ehrenamtlichen, der Zielgruppe und der Einrichtungen sowie um das Gewinnen von Ehrenamtlichen und der Zielgruppe kümmern.
Im Themenfeld der politischen Partizipation in Schwäbisch Gmünd und Umgebung ist auch angedacht, verstärkt Selbstvertreter zu unterstützen und entsprechend durch Beratung und Schulung zu begleiten. Dies gilt sowohl für einzelne politisch aktive oder interessierte Menschen mit Teilhabe-Einschränkungen als auch für Selbstvertretungsgruppen – wie etwa Mitglieder im Inklusions- und Integrationsbeirat und in anderen politischen Gremien — oder z.B. auch im Bereich Menschen mit Behinderung bei Gremien wie Bewohnerbeiräte sowie Werkstatträte.
Als besonderes Ziel zukünftiger Arbeit ist beabsichtigt, dass alle Veranstaltungen in Schwäbisch Gmünd und Umgebung möglichst barrierefrei sind und die Barrierefreiheit bei jeder Veranstaltung gekennzeichnet wird. Hier könnten verschiedene Piktogramme den Veranstaltern dabei helfen, dies kenntlich zu machen. Entsprechende Beratung soll durch das „Mittendrin“-Büro angeboten werden.
Mit der Konzeption, verstärkt in der Öffentlichkeit durch einen zentralen Ort präsent zu sein, ist ferner zu verbinden, was besonders auch die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) fordert. Die Ende 2006 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Konvention trat nach Ratifizierung durch die Bundesregierung Ende März 2009 in Deutschland in Kraft. Für den Personenkreis Menschen mit Behinderungen fordert die UN-BRK u.a. die aktive und informierte Beteiligung an allen sie betreffenden Entscheidungen. Diese Forderung ist eine grundsätzliche Voraussetzung für eine gleichberechtigte Teilhabe. Mit Blick auf Menschen mit Behinderungen wird dadurch unterstrichen, dass sie das Recht haben, an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen mitzuwirken.
Diese Forderung gilt auch für alle zuständigen Gremien in der Stauferstadt, für die Verwaltung sowie die Stadtspitze. Deutlich wird allerdings mit Blick in die UN-BRK auch der Auftrag, Inklusion insgesamt durch engagierte Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen. Dies hat sich die Stadt bereits 2016 vorgenommen, als der Gemeinderat den „Gmünder Aktionsplan Inklusion“ (SCHWÄBISCH GMÜND 2016b) verabschiedet hat. Darin ist u.a. festgelegt, dass die „Weitergabe von Wissen an Bürger, Wissen über Menschen mit Behinderung (durch: Zeitung, Bücher, Plakate, Radio, Fernsehen und große Treffen)“ einen besonderen Schwerpunkt der städtischen Aktivitäten ausmachen soll. Dies korrespondiert mit Artikel 8 Bewusstseinsbildung der UN-BRK. Der Artikel zeigt in Absatz 2 insbesondere die Bedeutung und Pflicht auf, wirksame Kampagnen zur Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit einzuleiten und dauerhaft durchzuführen. Diese Anforderung ist verbunden „mit dem Ziel, i) die Aufgeschlossenheit gegenüber den Rechten von Menschen mit Behinderungen zu erhöhen, ii) eine positive Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen und ein größeres gesellschaftliches Bewusstsein ihnen gegenüber zu fördern, iii) die Anerkennung der Fertigkeiten, Verdienste und Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen und ihres Beitrags zur Arbeitswelt und zum Arbeitsmarkt zu fördern“ (…) sowie „c) die Aufforderung an alle Medienorgane, Menschen mit Behinderungen in einer dem Zweck dieses Übereinkommens entsprechenden Weise darzustellen“ (BEHINDERTENBEAUFTRAGTER 2018). Bisherige Aktionen und Maßnahmen und besonders die nun mehrjährigen intensiven Bemühungen um Inklusion verdeutlichen aber auch, dass hier noch weitere Anstrengungen erforderlich sind. Hier haben vor allem auch die Verantwortlichen in der städtischen Verwaltung die Aufgabe, auf entsprechende Maßnahmen zu achten bzw. diese zu initiieren.
Bezogen auf den 2016 vom Gemeinderat verabschiedeten „Gmünder Aktionsplan Inklusion“ gilt es nunmehr auch, die in acht Bereichen formulierten und mit Terminen versehenen Aktionen zu überprüfen. Je nach den für die gesamte Stadt vorgesehenen Aktionen sind darin Zeiträume von 2016 bis 2035 genannt. In einem aktuellen Schritt sollten nun die darin bis 2025 umzusetzenden Aktionen auf ihren Ist-Stand hin überprüft und weitere Schritte eingeleitet werden. Dabei ist das Themenfeld weit gesteckt. Es reicht vom Thema „Selber entscheiden, mitreden und mitentscheiden“ über „Lernen und Wissen“, Arbeit und Wohnen sowie „Gesundheit und Pflege“ und „Freizeit und Sport“ bis hin zum generellen Schwerpunkt „Leben ohne Hindernisse“.
Die engagierte Auseinandersetzung mit dem Thema Inklusion hat in der Stadt Schwäbisch Gmünd auch dazu geführt, Schwächen bisheriger Integrations- und Inklusionsarbeit deutlich zu machen. So scheint es erforderlich, dass die beiden Themen Inklusion und Integration viel stärker miteinander verknüpft werden müssen. In diesem Zusammenhang wäre auch denkbar, eine entsprechende Personalstelle zu schaffen bzw. umzuwidmen, die z.B. die bisher überwiegend unabhängig voneinander agierenden Arbeitsbereiche wie Bürgerschaftliches Engagement, Inklusionsbeauftragte, Jugendarbeit sowie Kinder- und Jugendbüro, Seniorenarbeit aber auch Stadtteilarbeit, das Welcome Center Schwäbisch Gmünd oder auch Wohnen im bislang zuständigen Amt für Familie und Soziales deutlicher in einer zu verknüpfenden Einheit zusammenfasst. Hier könnten entsprechende Schritte in den Jahren 2013 und 2018 in der rheinischen Metropole Köln Anregungen für ähnliche Umorganisationen rund um Integration und Vielfalt bieten (STADT KÖLN 2024; BADSTIEBER & SCHLUMMER 2015) und zu einem erweiterten „Gmünder Weg“ und im Sinne der Charta der Gemeinsamkeiten führen.
Informationen zu Schwäbisch Gmünd
Die in Ostwürttemberg, genauer: im Ostalbkreis, am Fuße der Schwäbischen Alb und der Dreikaiserberge gelegene Stadt Schwäbisch Gmünd trägt den Beinamen „Älteste Stauferstadt“. Sie ist von der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart in östlicher Richtung etwa fünfzig Kilometer entfernt. In ihrer Öffentlichkeitsarbeit verdeutlicht die Stadt immer wieder ihre historischen Wurzeln, die in der Gründung durch das Adelsgeschlecht der Staufer im Jahr 1162 gesehen wird. Auch heute vermittelt die Stadt mit rund 62.000 Einwohnern ein mittelalterliches Flair, das durch Fachwerkhäuser und kleine Gassen geprägt ist. Zwar verweist die Stadtverwaltung bzw. die Touristik&Marketing GmbH der Stadt Schwäbisch Gmünd mit ihren Tourismus-Aktivitäten besonders auf Altes und Traditionelles. Sie präsentiert sich aber nicht zuletzt seit der Landesgartenschau, die die Stadt 2014 durchgeführt hat, als eine offene Stadtgemeinschaft und eine Stadt des Ehrenamtes, durch das vielfältige Aktivitäten in ganz unterschiedlichen Bereichen unterstützt und umgesetzt werden.
Stationen im Inklusionsprozess von Schwäbisch Gmünd
2014 Beitritt zur Erklärung von Barcelona (1995): „Die Stadt und die Behinderten“.
2016 Beschluss des „Aktionsplan Inklusion Schwäbisch Gmünd“.
2016 Gründung des Schwäbisch Gmünder Inklusionsbeirats.
2016 Projektstelle für Integration und Flüchtlinge (PFIFF) im Rahmen des „Gmünder Wegs“ eingerichtet.
2017 1. Preis beim baden-württembergischen Wettbewerb „Leuchttürme der bürgerschaftlichen Beteiligung“ für die beteiligungsorientierte Erstellung des Aktionsplans Inklusion.
2019 Der Gemeinderat Schwäbisch Gmünd beschließt die „Gmünder Charta der Gemeinsamkeiten“, die im Rahmen einer intensiven Bürgerbeteiligung erstellt worden war.
2020 Auszeichnung mit dem Oldtimer-Preis der Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit Baden-Württemberg (SEZ) für die Aktion „Gmünd mag’s fair“ und das langjährige Engagement für Gleichberechtigung, Teilhabe, Wir-Gefühl und vielfältige Bürgerbeteiligungsprozesse.
2020 Gründung des „Welcome Center Schwäbisch Gmünd“ zur Bündelung der Ressourcen für Entwicklungshilfen und Entwicklungsprojekte für Menschen, die in Schwäbisch Gmünd ankommen.
2020 In dem Projekt „Gmünd HILFT!“ vermitteln Ehrenamtliche in Schwäbisch Gmünd rasch und unbürokratisch Menschen Unterstützung, die durch die Corona-Pandemie in besondere Notlagen gekommen sind.
2020 Vorstellung des Zwischenberichtes der Evaluation am 25.11.2020 im Sozialausschuss der Stadt durch Prof. Dr. Hendrik Trescher, Lehrstuhl für Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt ‚Inklusion und Exklusion' an der Philipps-Universität Marburg.
2021 Nach mehrjähriger Erfahrung mit entsprechenden Stadtführungen erscheint im Gmünder einhorn-Verlag ein gemeinsam mit Menschen mit Behinderung entwickelter neuer Stadtführer in einfacher Sprache.
2023 Im Rahmen eines Zukunftskonzeptes für die Gestaltung eines regionalen inklusiven Arbeitsmarkts entsteht unter der Federführung der Stiftung Haus Lindenhof ein Netzwerk für einen inklusiven Arbeitsmarkt.
2023 Mit dem Aufstellen einer besonderen und gespendeten Parkbank beteiligt sich die Gmünder „Kommune Inklusiv“ an der europaweiten Aktion „Kein Platz für Ausgrenzung!“ und setzt ein symbolisches Zeichen für Inklusion und gegen Ausgrenzung.
2024 Beim Gleichstellungstag am 5. Mai präsentieren Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung auf dem Gmünder Marktplatz auf großen Fotoleinwänden „Räume für unsere Träume – selbstbestimmt Leben ohne Barrieren“.
2024 Mit der Veranstaltung „Politik – einfach erklärt! Die Kandidaten für den Stadtrat sagen, was Sache ist!“ informiert die Gmünder Volkshochschule am 14. Mai gemeinsam mit dem Projekt Kommune Inklusiv und der Stiftung Haus Lindenhof über die bevorstehende Kommunalwahl.
2024 Aktive des Gmünder Projektes „Kommune Inklusiv“ feiern am 6. Juni gemeinsam mit Gästen den Abschluss des Projektes — und blicken in die Zukunft.
Literatur
Aktion Mensch e.V. (2020): Praxishandbuch Inklusion. So wird Ihre Kommune inklusiv. Erfahrungen, Materialien und viele Tipps aus der Praxis. Bonn: Aktion Mensch.
Badstieber, B. & Schlummer, W. (2015): Kommunale Inklusionsplanung in Köln – Herausforderungen und Umsetzungsstrategien im (außer-)schulischen Kontext. In: Teilhabe, 54(1), 26–31.
Behindertenbeauftragter — Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen (2018): UN-BRK — Die UN-Behindertenrechtskonvention. Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Berlin: BMAS. Online unter: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/Redaktion/PDF/DB_Menschenrechtsschutz/CRPD/CRPD_Konvention_und_Fakultativprotokoll.pdf (letzter Zugriff: 20.05.2024).
BMFSFJ — Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.) (2020): Dritter Engagementbericht. Zukunft Zivilgesellschaft: Junges Engagement im digitalen Zeitalter. Online unter: https://www.bmfsfj.de/resource/blob/156652/164912b832c17bb6895a31d5b574ae1d/dritter-engagementbericht-bundestagsdrucksache-data.pdf (letzter Zugriff: 22.06.2024)
Hinz, A. (2002): Von der Integration zur Inklusion — terminologisches Spiel oder konzeptionelle Weiterentwicklung? Erstveröffentlichung in der Zeitschrift für Heilpädagogik 53, 2002, 354-361. In: bidok — Stand: 12.06.2007. Online unter: https://bidok.uibk.ac.at/library/hinz-inklusion.html (letzter Zugriff: 28.05.2024).
MSJG — Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft (Hrsg.) (2011): Inklusion vor Ort. Der Kommunale Index für Inklusion — ein Praxishandbuch. Berlin: Deutscher Verein.
MSJG — Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft (Hrsg.) (2018): Inklusion ist machbar! Das Erfahrungshandbuch aus der kommunalen Praxis. Berlin: Deutscher Verein.
Schlummer, W. & Sanwald, S. (2021): Kommune Inklusiv. Inklusionsstrategien und Veränderungsschritte am Beispiel von Schwäbisch Gmünd. In: Teilhabe, 60(2), 78–82
Schwäbisch Gmünd (2016a): Willkommenskultur für Flüchtlinge in Schwäbisch Gmünd. Vom Flüchtling zum Bürger „Der Gmünder Weg“. Online unter: https://www.lpb-bw.de/fileadmin/Abteilung_III/jugend/pdf/ws_beteiligung_dings/ws9/gemuender_weg_fluechtlinge.pdf (letzter Zugriff: 20.05.2024).
Schwäbisch Gmünd (2016b): Aktions·plan Inklusion. In Leichter Sprache. Online unter: https://www.schwaebisch-gmuend.de/aktionsplan-inklusion.html (letzter Zugriff: 20.05.2024).
Schwäbisch Gmünd (2019): Vorlage des Bürgermeisteramtes „Gmünder Charta der Gemeinsamkeiten“ vom 30.04.2019. Gemeinderatsdrucksache Nr. 075/2019. Online unter: ??https://bi.schwaebisch-gmuend.de/?? (letzter Zugriff: 20.05.2024).
Schwäbisch Gmünd (2020a): Vorlage des Bürgermeisteramtes „Verein zur Förderung der Inklusion in Schwäbisch Gmünd e.V.: Den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Schwäbisch Gmünd stärken durch das Projekt ‚Kommune Inklusiv Schwäbisch Gmünd‘“ vom 03.07.2020. Gemeinderatsdrucksache Nr. 128/2020. Online unter: https://bi.schwaebisch-gmuend.de/vo0050.asp?__kvonr=5638 (letzter Zugriff: 20.05.2024).
Schwäbisch Gmünd (2020b): „Gmünder Charta der Gemeinsamkeiten“ in einfacher Sprache. Pressemitteilung der Stadt Schwäbisch Gmünd vom 27. Januar 2020. Online unter: https://www.schwaebisch-gmuend.de/pressedetails/gmünder-charta-der-gemeinsamkeiten.html (letzter Zugriff: 20.05.2024).
Schwäbisch Gmünd (o.J.): Der Gmünder Weg und seine Gelingens-Faktoren. Online unter: https://www.lpb-bw.de/fileadmin/Abteilung_III/jugend/pdf/ws_beteiligung_dings/ws9/gelingensfaktoren_gemuender_weg.pdf (letzter Zugriff: 20.05.2024).
Stadt Köln (2024): Abteilung Vielfalt – Entstehung und Aufgaben. Online unter: https://www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/soziales/diversityvielfalt/abteilung-vielfalt-entstehung-aufgaben (letzter Zugriff: 28.05.2024).
Touristik & Marketing Schwäbisch Gmünd (Hrsg.) 2020: Schwäbisch Gmünd entdecken. 2 Stadtführungen in einfacher Sprache. Schwäbisch Gmünd: einhorn-Verlag.
Trescher, H. (2020): Begegnung und Barrierefreiheit. Zusammenfassung des wissenschaftlichen Zwischenberichts zur Initiative Kommune Inklusiv. Anlage 1 zur Vorlage 209/2020 beim Sozialausschuss der Stadt Schwäbisch Gmünd am 25.11.2020. Gemeinderatsdrucksache. Online unter: https://bi.schwaebisch-gmuend.de/vo0050.asp?__kvonr=5725 (letzter Zugriff: 20.05.2024).
Trescher, H. u.a. (2022): Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitforschung zum Projekt „Kommune Inklusiv“. Marburg / Frankfurt a.M.: Uni Marburg / Uni Frankfurt
Trescher, H. & Hauck, T. (2020): Inklusion im kommunalen Raum — Sozialraumentwicklung im Kontext von Behinderung, Flucht und Demenz. Bielefeld : transcript.
Verein zur Förderung der Inklusion in Schwäbisch Gmünd e.V. (2024): Kommune Inklusiv Schwäbisch Gmünd. Online-Portal. URL: https://www.kommuneinklusiv-gmuend.de/kommune-inklusiv-schwaebisch-gmuend.html (letzter Zugriff: 20.05.2024).
Autor:in:
Dr. Werner Schlummer
Diplompädagoge und Journalist, Autor und freiberufl. Bildungsreferent. Bis 2016 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Geistigbehindertenpädagogik der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln
werner.schlummer@gmx.de
Johanna Franke
Studentin im B.A.-Studiengang Soziale Arbeit an der HS Esslingen; von 2023-2024 Mitarbeiterin im Ehrenamt beim Gmünder Projekt Kommune Inklusiv
johfranke@gmx.de